Wer nicht sucht, der auch nicht findet

■ Hoesch ist Dioxin-Spitzenreiter – weil anderswo gar nicht gemessen wurde

Düsseldorf (taz) – Mitte letzten Jahres sorgten die Dioxinemissionen der Duisburger Metallhütte Berzelius für Aufregung. Dort hatte die Essener Landesanstalt für Immissionsschutz 25 Nanogramm (ng) Dioxin pro Kubikmeter Abgas gemessen. Das ist 250mal soviel, wie eine neue Müllverbrennungsanlage ausstoßen darf. In dem in der Umgebung des Werkes angebauten Gemüse – Grünkohl, Endivie und Spinat – tauchte das Dioxin wieder auf. Zum Teil lagen die Dioxinbelastungen fünfeinhalbfach über dem empfohlenen Maximalwert. Duisburgs Stadtverwaltung riet deshalb von Verzehr und Anbau dieser Gemüsesorten ab.

40 Kilometer weiter ostwärts, in den Schloten der Sinteranlage des Dortmunder Krupp-Hoesch- Stahlwerkes, ermittelten die Essener Spezialisten 43 ng pro Kubikmeter Abluft. Über das Jahr verließen demnach etwa 250 Gramm Dioxin die Dortmunder Stahlschmiede – dreimal soviel, wie alle deutschen Müllverbrennungsanlagen zusammen emittieren.

Trotz dieser extremen Werte wird das im Umfeld der Krupp- Hoesch-Anlage angebaute Gemüse immer noch verzehrt. Nicht weil es unbedenklich wäre, sondern weil man mangels Messungen ahnungslos ist. Die Dortmunder Stadtverwaltung „weiß von dieser Geschichte erst seit einer Woche“, sagte ihr Sprecher Udo Bullerdieck. Diejenigen, die mehr wußten, der Krupp-Hoesch-Vorstand und der nordrhein-westfälische Umweltminister Klaus Matthiesen, blieben still.

Eine Gesundheitsgefährdung für Beschäftigte und Anwohner liegt durchaus nahe. So schreibt das Bundesgesundheitsamt in seinem Jahresbericht 1992, daß „Krebserkrankungen von bestimmten Arbeitern der chemischen Industrie mit den früheren hohen Dioxinbelastungen an ihren Arbeitsplätzen in Verbindung stehen“. Auch die Sinteranlagen werden in diesem Bericht ausdrücklich als „dioxinrelevant“ genannt.

Die Messungen in Nordrhein- Westfalen und Bremen bestätigen diese Einschätzung. Die Zahlen haben nun offenbar auch die Umweltminister aus Niedersachsen, Monika Griefahn, und dem Saarland, Jo Leinen, aus dem Tiefschlaf gerissen. Beide hatten bisher keinen Schimmer über den Dioxinausstoß der in Salzgitter und Dillingen stehenden Sinteranlagen. Erst jetzt wollen sie Meßtrupps rausschicken. Da war selbst der als „Dioxinverharmloser“ beleumundete Matthiesen schneller.

Heute muß Matthiesen in einer aktuellen Stunde über seine „Geheimhaltepolitik“ im Düsseldorfer Landtag auf Antrag der Grünen Rechenschaft ablegen. Walter Jakobs