Ungehorsam ausgezeichnet

Fünf Frauen – Arna Mer-Khamis, Vandana Shiva, Sithembiso Nyoni, Mary und Carrie Dann – erhalten den Alternativen Nobelpreis  ■ Aus Stockholm Reinhard Wolff

Die Alternativen Nobelpreise der schwedischen Right-Livelihood-Stiftung werden in diesem Jahr ausschließlich an Frauen und von ihnen geführte Organisationen vergeben. In „Anerkennung ihres besonderen Muts in Krisen- und Konfliktzeiten“, wie es in der Begründung heißt. Frauen aus Israel und Palästina, aus Indien, Simbabwe und den USA teilen sich den Preis von 200.000 Dollar, der seit 1980 jährlich vergeben wird, um „praktische und beispielhafte Antworten auf die dringendsten Fragen unserer Zeit“ zu würdigen, wie es in den Statuten der von Jakob von Uexkull gegründeten Stiftung heißt.

Zwei Preisträgerinnen werden für ihre Einsätze auf dem Umweltsektor geehrt. Die indische Anwältin und Forscherin Vandana Shiva und Sithembiso Nyoni, Mitgründerin der simbabwischen Landkooperative ORAP. Statt auf westliche Hilfe in einer der längsten Dürreperioden in Südafrika zu warten, zeigte ORAP (Organisation of Rural Associations for Progress) den Menschen Wege auf, eine eigene, an ihrer Tradition und Kultur orientierte Antwort auf die von Menschen mitverschuldete Dürre zu geben. 1981 von einer kleinen Gruppe von Menschen aus dem Matabeteland gegründet, zählt die Kooperative heute über eine Million Mitglieder in 800 Dörfern. Kleinste Einheit ist die „Familie“, die fünf bis zehn Familien umfaßt. Geht es hier um Zusammenarbeit bei Haushalt, Handwerk und Einkommensplanung, beschäftigen sich die Dorfgruppen mit gemeinsamen Projekten, wie Brunnenbau, Viehhaltung, Brennholzbeschaffung, Organisation kleinerer Handwerksbetriebe. Mehrheitlich bestehen die Gruppen aus Frauen, denn viele der Männer sind zur Arbeitssuche in die Städte gezogen. Auf der obersten Organisationsebene versucht ORAP mit Bildungs-, Vorschul- und Medizinprogrammen die Basisgruppen zu unterstützen.

Vandana Shiva, Juristin und Wirtschaftswissenschaftlerin, gründete 1982 in ihrem Heimatort Dehra Dun am Fuß des Himalaya ein Forschungsinstitut, das sich seither zu einer wesentlichen Stütze alternativer Entwicklungsstrategien entwickelt hat. Es wurden Wiederaufforstungskampagnen in Indien wissenschaftlich vorbereitet und begleitet. Als eine der ersten Institutionen warnte Shivas Forschungsinstitut vor den verheerenden Folgen verschiedener Staudammprojekte.

In der Hoffnung, daß ihr Beispiel als Modell für die Versöhnung zwischen den Menschen in Israel und Palästina beitragen kann, erhält die Israelin Arna Mer-Khamis den Preis. Sie hatte in Jenin im besetzten Palästina 1988 die Organisation „Care and Learning“ gegründet. Palästinensischen Kindern wurde von dieser Kinderhilfsorganisation ein Minimum an Schulbildung angeboten. Von 1988 bis 1990 hatten die israelischen Behörden alle Schulen in den besetzten palästinensischen Gebieten schließen lassen, weil sonst der angeblich auch von Kindern und Jugendlichen gegen die Besatzung ausgeübte „Terror“ nicht zu bekämpfen sei. Arna Mer-Khamis alarmierte die Öffentlichkeit. Ihr 40jähriger Kampf für mehr Menschlichkeit war bis in die Gegenwart von Unverständnis, Drohungen, zehn Verhaftungen und einer dreimonatigen Haftstrafe begleitet worden.

Wie schon in den vergangenen Jahren ehrte die Uexkull- Stiftung den Einsatz gegen die verheerenden Folgen der Atomindustrie und der militärischen Atomtests. Seit 20 Jahren kämpfen die Schwestern Mary und Carrie Dann für das in Nevada lebende indianische Western-Shoshone-Volk gegen den Versuch der US-Administration, ihr Land zu enteignen, und für Schadenersatz für die Folgen der Nukleartests. Die beiden 54 und 64 alten Indianerinnen, denen eine Ranch im Crescent Valley gehört, weigerten sich, das angebliche Eigentumsrecht der USA am Indianerland anzuerkennen, und organisierten Aktionen zivilen Ungehorsams gegen die Behörden.