„Zu sehr an Zivildienst gewöhnt“

■ Dieter Hackler, Zivildienst-Beauftragter, braucht die Wehrpflicht

taz: Angenommen, 1997 würden die allgemeine Wehrpflicht und damit auch der Zivildienst abgeschafft. Wären Sie darüber erfreut?

Dieter Hackler: Wir brauchen die Wehrpflicht, und deshalb haben wir auch die Möglichkeit des Zivildienstes. Das ist eine gute Sache. Aber wir müssen intensiv darüber nachdenken, wie der soziale Bereich vom Arbeitsmarkt her attraktiv bleiben kann und die Arbeitsbedingungen so sind, daß junge Menschen sich für diesen Bereich entscheiden.

Wird dieses Problem durch den Zivildienst, wie er praktiziert wird, nicht gerade erst zugedeckt?

Die Gefahr ist, daß wir uns an Zivildienst zu sehr gewöhnt haben. Wir haben als Bundesamt 1973 mit 10.600 Zivildienstleistenden die Arbeit aufgenommen, heute haben wir 135.400. Die Zivildienstleistenden sind aufgesogen worden von Altenheimen und Krankenhäusern, weil es in vielen Bereichen an Fachpersonal fehlt. Die Angst, die ich habe, ist, daß durch den Zivildienst der tatsächliche Arbeitsmarkt an qualifiziertem Fachpersonal im Sozialbereich zugedeckt wird.

Haben Sie da als Bundesbeauftragter für den Zivildienst zuwenig aufgepaßt? Schließlich muß doch jede soziale Einrichtung, die eine Zivildienststelle beantragt, unterschreiben, daß diese nur zur Erfüllung zusätzlicher Aufgaben dienen soll.

Selbstverständlich muß man sich sehr genau fragen, ob man in manchen Einrichtungen, in denen die Personaldecke schon dünn ist, noch Zivildienstleistende belassen kann. Aber aus einzelnen Mißbrauchsfällen darf man nicht auf die Gesamtsituation im Zivildienst schließen. Im großen und ganzen gehe ich schon davon aus, daß Zivildienstleistende arbeitsmarktneutral eingesetzt sind. Aber da die Situation so ist, daß die richtigen Stellen oft nicht mehr mit Fachpersonal besetzt werden können, sitzen dann doch oft Zivildienstleistende da. Hier ist das Problem.

Als Alternative zum Kriegs- und Zivildienst hat Bundespräsident Richard von Weizsäcker auf der Mainzer Kommandeurstagung eine allgemeine Dienstpflicht für Männer und Frauen ins Gespräch gebracht.

Ich bin entschieden gegen eine Dienstpflicht, weil sie zudeckt, was wir nicht wollen. Eine Dienstpflicht kann ich mir für die vorstellen, die gesund und munter mit 60 in den Ruhestand gehen und eine dicke Pension haben. Und wenn wir das mit den 40jährigen genauso schaffen würden, dann könnten wir vielleicht auch die junge Generation motivieren, soziale Dienste zu übernehmen. Aber wenn die 60- und die 40jährigen sagen: „Ich nicht“, dann kann ich dem 20jährigen das auch nicht zumuten.

Interview: Dirk Asendorpf