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: Moralapostel

„Sex please, wir sind Briten...“, Mi. 20.15 Uhr; ARD

„It's not unusual“, sang der unbedingt verehrungswürdige Tom Jones in den 60er Jahren – schon möglich, daß der Texter dieses Titels den seinerzeit aufsehenerregenden Profumo- Skandal im Sinn hatte. „It's not unusual“ singen auch die Puppen der satirischen Serie „Spitting Image“. Nur sind inzwischen einige frivole Strophen hinzugedichtet worden, wie Luc Jochimsen in ihrer Zusammenfassung der jüngeren britischen Sittengeschichte aufzeigte.

Ehrwürdige Bischöfe, Richter und Minister treiben's bunt im Königreich, und wenn man den von Jochimsen befragten Zeitzeugen glauben darf, bilden sie nur die Spitze einer rundum brünstigen Bevölkerung, stets im Brennpunkt einer in allen Ritzen und Winkeln lauernden Sensationspresse, deren Maulwürfen kein Fehltritt zu entgehen scheint. Gosh!

So abstrus waren also die Sketche des Monty Python's Flying Circus gar nicht. Die Realität hob wohl dräuend ihr Haupt, wenn sich Cleese & Co. mit Verve über Richter in Strapsen und andere stille Genießer lustig machten. Seltsamerweise schlagen insbesondere konservative Volksvertreter gern über die Stränge. Einmal ertappt, scheiden sie vorerst aus ihren Ämtern, in die sie sich dann wenig später wieder hineinstehlen. Oder sie werden ins Oberhaus abgeschoben, die Endlagerstätte für unartige Schwerenöter mit Ritterschlag. Disgusting!

In Jochimsens aus britischen Spielfilmen, älteren Beiträgen und Interviews montierter Dokumentation kam beinahe ein bißchen zu kurz, daß es den beteiligten Frauen regelmäßig weniger gut ergeht. Christine Keeler lebt heute von Sozialhilfe; die Ehefrau des mopsfidelen Chefanklägers der Queen beging Selbstmord. Tröstlich, daß wenigstens Cynthia Payne mit Wohlstand gesegnet ist, jene resolute Puffmutter, deren Geschichte von Ex-Monty-Python (!) Terry Jones 1987 unter dem Titel „Personal Service“ verfilmt wurde. Payne, mittlerweile sehr gefragt als Vortragsrednerin und Lebensberaterin, wurde auf der Grundlage eines Gesetzes aus dem Jahre 1721 wegen „Führung eines unordentlichen Hauses“ zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt, von denen sie sechs absitzen mußte. Wenn man es sich recht überlegt – auch Ihre Majestät führt doch eigentlich ein sehr, sehr unordentliches Haus... Harald Keller