■ Das Portrait: Christine Grän
Sie ist eine jener Crime-Ladys, die in den 80er Jahren die feministische Parole „Die Zukunft ist weiblich“ zumindest für den deutschen Krimisektor zu bestätigen schienen. Die Heldin ihrer sechs Krimis, Anna Marx, ist inzwischen 40 Jahre alt, Klatschreporterin in Bonn, Amateurdetektivin und Geliebte eines verheirateten Ministerialdirektors. Anna Marx schaut lieber in den Kühlschrank als in den Spiegel, sie bringt mit ihren ausladenden Hüften und den großen Brüsten („die gnadenlos den Gesetzen der Schwerkraft folgen“) satte 80 Kilo auf die Waage. Außerdem säuft sie wie ein Pferd, flucht wie ein Bierkutscher und hat immer eine Kippe zwischen den vollen Lippen. Diese herrlich vulgäre Person, clever und frech, läßt Christine Grän in der feinen Bonner Gesellschaft herumtrampeln und allerlei Dreck aufwirbeln.
Crime-Lady Foto: Markus Rössle
Christine Grän wurde 1952 in Graz geboren. Nach dem Studium arbeitete sie als Redakteurin und als Klatschreporterin für den Bonner Generalanzeiger. Dann ging sie nach Afrika. Sie war in Botswana mit einem Entwicklungsexperten verheiratet und versuchte vergeblich, in Südafrika als freie Journalistin Fuß zu fassen. Weil sie sich langweilte, übernahm sie schließlich die Leitung eines Restaurants 30 Kilometer außerhalb der Hauptstadt Gaborone. Doch das reichte ihr nicht, sie wollte „irgend etwas schreiben“. Die Geburt ihres ersten Krimis dauerte zwei Jahre. Sie schickte das Manuskript nach Deutschland zum Rowohlt-Verlag, nach drei Monaten bekam sie eine Antwort: „Okay, aber sie müssen weitere Marx-Krimis schreiben“.
Seit 1985 lebt Christine Grän wieder in Bonn als freie Journalistin und Autorin. Die Stadt in der „selbst in den Nachtclubs die Nutten gähnen“ (ein Marx-Spruch) „ist wirklich nett“ findet sie, „doch sie strapaziert das Vorstellungsvermögen von Abenteuer, Sex und Verbrechen.“ Noch scheinheiliger als in Bonn, geht es in der ARD zu. Die lassen ab Sonntag eine völlig gezähmte und damit lahme und langweilige Anna Marx, gespielt von der ausdrucksschwachen Thekla Carola Wied in Serie gehen. Merke: Ein Liebling Kreuzberg darf sich im Fernsehen besaufen, fluchen und herumhuren. Eine Frau darf das nicht. Wo kämen wir denn hin, wenn im öffentlich- rechtlichen Fernsehen echte, lebendige Frauen vorkommen würden. rewe
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