■ Friedbert Pflüger kritisiert die Kandidatur Heitmanns
: Zurück in die Demokratie

Das gespenstische Schweigen hatte eigentlich schon viel zu lange gewährt, aber schließlich hat sich doch ein Christdemokrat hervorgewagt und seine Stimme gegen die seines Herren und großen Vorsitzenden Helmut Kohl erhoben. Friedbert Pflüger, Bundestagsabgeordneter aus Hannover und ehemaliger Sprecher Richard von Weizsäckers, hat in der Zeit die außerhalb seiner Partei weitverbreitete Auffassung formuliert, daß Steffen Heitmann leider doch nicht der ideale Kandidat für das höchste Staatsamt dieser Republik ist.

Pflüger hat – was bei der Intensität und Dauer der Debatte um Heitmann nicht verwundert – keine neuen Argumente gegen den Sachsen präsentiert, aber die bereits bekannten eindrücklich zusammengefaßt. Er hat Heitmanns hervorstechendes Talent zur Polarisierung und zur andauernden Erweckung von Mißverständnissen kritisch gewürdigt. Am wichtigsten ist sein Einwand, daß die Kandidatur Heitmanns keinen Kulturkampf gegen ein paar notorisch lamentierende 68er initiiere, sondern daß der Kandidat das politische Wertesystem von Adenauer über Brandt zu Kohl in Frage stelle. Selbstverständlich hat Pflüger seine Argumente in der selbstlosen Pose desjenigen vorgetragen, der ausschließlich Schaden von seiner Partei und dem ganzen Land abwenden will.

Daß die CDU nun endlich eine Debatte um Heitmann führen muß, wahrt nicht nur den in der Parteipolitik traditionell sehr geringen Unterhaltungswert, Pflüger hat darüber hinaus auch den Ruf der CDU als demokratischer Partei ein wenig restauriert. Schon der Berliner Bundesparteitag erinnerte an einen Parteitag der SED unter Honnecker; die 100-Prozent- Mehrheit für Heitmann im Bundesvorstand ließ die CDU als gleichgeschalteten Kohl-Club erscheinen.

Es ist nicht anzunehmen, daß die Mächtigen unter seinen Parteifreunden Pflüger für seine Bemühungen um demokratische Kultur in der CDU danken werden. Generalsekretär Hintze versuchte sofort, den – im übrigen falschen – Eindruck zu erwecken, daß es sich bei Pflüger um einen irregeleitetes und in der Partei isoliertes schwarzes Schaf handele. Die Parteispitze der Union – namentlich Schäuble und Kohl – könnte entweder so klug sein und Pflügers Kritik als Chance nutzen, um eine offenkundige Fehlentscheidung noch zu korrigieren. Oder sie wählt nach dem Motto „um so mehr Widerstand gegen Heitmann, um so wichtiger, ihn in jedem Fall durchzusetzen“ die dumpfe machtpolitische Linie. Zweiteres ist wahrscheinlicher – und weist die Richtung für den Abstieg Helmut Kohls und seiner Partei bei der Wahlinflation im nächsten Jahr. Michael Sontheimer