„Ich schätze Herta“

■ Heidemarie Wieczorek-Zeul zu ihrer Kandidatur zum stellvertetenden SPD-Vorsitz

taz: Frau Wieczorek-Zeul, Sie haben nach der Mitgliederbefragung über den Parteivorsitz Ihre Bewerbung um den stellvertretenden Parteivorsitz angekündigt. Nun will auch die bisherige Amtsinhaberin, Herta Däubler-Gmelin, erneut kandidieren. Schlagen sich zwei Frauen gegenseitig k.o.?

Wieczorek-Zeul: Mein Angebot, als stellvertretende Parteivorsitzende zu kandidieren, liegt sogar weiter zurück. Im April hat Herta Däubler-Gmelin als stellvertretende Fraktionsvorsitzende nicht wieder kandidiert, wegen ihrer Bewerbung für das Bundesverfassungsgericht. Ich habe mich damals gründlich geprüft, ob ich in der SPD-Fraktion antreten soll. Ich war aber der Meinung, es sei sinnvoller, daß mehr Frauen in wichtige Funktionen kommen. Gewählt wurde Anke Fuchs und ich habe schon damals angekündigt, daß ich mich auf die Arbeit in der SPD-Führung konzentrieren will. Nach der Mitgliederbefragung habe ich meine Kandidatur für den stellvertretenden Parteivorsitz erneut angeboten.

Jetzt haben wir natürlich eine neue Situation. Aber ich denke, daß auch dann, wenn es zu einer konkurrierenden Kandidatur kommt, der Konflikt so ausgetragen werden kann, daß wir uns nicht wechselseitig verletzen. Ich schätze Herta, ich habe sie immer unterstützt. Zum Beispiel damals, als sie für den Fraktionsvorsitz kandidiert hat.

Aber offenbar ist es Ihnen nicht gelungen, sich abzustimmen.

Ich bin überhaupt nicht davon ausgegangen, daß es zu zwei Kandidaturen kommen würde. Ich habe angenommen, daß die Kandidatur für das Verfassungsgericht bedeutet, daß es keine Kandidatur zum Parteiamt geben würde.

Sind Sie sauer oder überrascht, daß Frau Däubler-Gmelin nun doch kandidiert?

Es macht wenig Sinn, das zu kommentieren. Nun ist die Situation eben so, wie sie ist. Am Montag wird der Parteivorstand darüber zu reden und abzuwägen haben. Will er mein Angebot zur Teamarbeit, das in der Mitgliederbefragung Unterstützung gefunden hat, annehmen oder nicht? Wollen wir an der Bewerbung von Herta Däubler-Gmelin für das Verfassungsgericht festhalten oder nicht? Wir können doch nicht zulassen, daß Helmut Kohl über die Besetzung von Verfassungsorganen entscheidet.

Hat es zwischen Ihnen beiden nach der angekündigten Wiederkandidatur ein Gespräch gegeben oder wird vor der Parteivorstandssitzung noch eines stattfinden.

Es wird in jedem Fall vor der Parteivorstandssitzung ein Gespräch geben.

Sie haben geäußert, daß die Entscheidung Rudolf Scharpings für Sie großes Gewicht hat. Haben Sie mit ihm gesprochen?

Mehrfach.

Und wie schätzen Sie danach Ihre Chancen ein?

Es wäre dem Teamgeist nicht sehr zuträglich, wenn ich mich darüber in einem Interview verbreiten würde. Ich will aber daran erinnern, daß Scharping nach seiner Wahl gesagt hat, er wolle mit seinen beiden Mitbewerbern um den Parteivorsitz eine enge Zusammenarbeit suchen.

Wird es am Montag zu einer Einigung oder abschließenden Entscheidung kommen? Oder kommt es zu konkurrierenden Kandidaturen auf dem Parteitag?

Noch sind alle Möglichkeiten offen. Interview: Tissy Bruns