Der „neue Soldat“ als kämpfender Friedensengel

■ Ende der Kommandeurstagung der Bundeswehr / Rühe: Kein deutscher Rückzug aus Belet Huen / Sanfte Kritik an „Rambo“-Politik der USA in Somalia

Mainz (taz) – „Die albernen Worte: ,Wir wollen weg!‘ werden sie hier nicht hören.“ Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Naumann, gewährte seinem politischen Chef Volker Rühe (CDU) mit Blick auf die weltweit entbrannte Debatte um Sinn- oder Unsinn der UN-Einsätze in Somalia – nach den verlustreichen Gefechten der Kontingente der Unosom in Mogadischu – verbalen Flankenschutz. Denn der Verteidigungsminister kam gestern zum Abschluß der 34. Kommandeurtagung der Bundeswehr in Mainz schnell aus der Deckung: „Die Bundeswehr bleibt in Belet Huen.“ Es sei zwar bedauerlich, daß sich Frankreich und Belgien zum Rückzug aus Somalia entschlossen hätten. Die Region um Belet Huen gelte aber nach wie vor als „befriedetes Gebiet“.

Die Truppe erfülle dort pflichtbewußt einen „humanitären Auftrag“ der UNO. Rühe: „Idealismus und Pioniergeist, Selbstbewußtsein und Stolz, Tapferkeit und Toleranz, Kameradschaft und Fürsorge und der spürbare Wille, für eine gute Sache das Beste zu geben – das nenne ich den Geist von Belet Huen.“

Risiken und Gefahren, so Rühe in seiner Grundsatzrede weiter, würden dabei nicht unterschätzt. Der Verteidigungsminister kritisierte die Machtdemonstrationspolitik der USA in Somalia zwar nicht direkt. Doch der Hinweis von Rühe auf die „unvergleichlich enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Italien“ in Sachen Somalia wurde gestern in der Kaffeepause auch von den hochrangigen Soldaten als „versteckter Anschiß“ an die Adresse der US-Militärs in Somalia interpretiert. Auch bei der Truppe herrscht offenbar „Verwirrung“ über die Strategie der Ledernacken, die – „wie Rambo“ – dabei seien, den von der Bundeswehrführung und von Rühe als „beispielhaftes humanitäres Engagement“ gewürdigten Einsatz der Unosom-Truppen in Somalia zu diskreditieren. Auf einer Pressekonferenz im Anschluß an die Kommandeurtagung wurde der Minister noch deutlicher: Der „politische Prozeß“ müsse in Somalia wieder „in den Vordergrund gerückt“ werden.

In seiner Rede vor den Kommandeuren hatte Rühe zuvor das Wort von Naumann vom „neuen Soldaten“ aufgegriffen – „vom Kriegsverhinderer zum aktiven Friedensförderer“. Gestern noch habe das Paradoxon soldatischer Existenz gegolten: „Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen.“ Heute trete dagegen das „soldatische Ethos“ aus dem Schatten der Nuklaerwaffen und des Kalten Krieges heraus und erfahre eine „positive Erfüllung“: „Nicht mehr die Abwehr einer totalen Gefahr, sondern Schutz, Hilfe und Aufbau treten in den Vordergrund des Dienstes.“

Es mache heute wenig Sinn, sich alleine auf den Ernstfall eines großen Angriffs auf die Nato vorzubereiten. „Collective Crisis Management“ heiße das Gebot der Stunde: „Wir brauchen schnell einsatzfähige, bewegliche undd führungsfähige militärische Hauptquartiere. Und wir müssen multinationale Streitkräfte bereithalten, die für unterschiedliche Aufgaben flexibel zusammengestellt werden können.“ „Paradigmenwechsel für die Truppe“ nannte das Generalinspekteur Naumann in seinem Schlußwort zur Kommandeutagung: „Weg mit der alten Abschreckungstheorie und hin zur Maßregelung und Entwaffnung von Friedensstörern überall auf der Welt.“

Umgehend Schluß gemacht werden müsse deshalb mit der „unsäglichen Blauhelmdebatte“ (Rühe). Der endlose verfassungspolitische Streit verhindere nicht nur die volle europäische Integration. Er schädige auch die transatlantischen Beziehungen und gefährde die dringend notwendige Reform der Nato. Rühe: „Die Diskussion muß beendet werden. Wir brauchen natürlich Konsens, aber nicht um jeden Preis. Einigung auf falscher Grundlage macht uns auf Dauer kooperationsunfähig.“ Klaus-Peter Klingelschmitt