: Klägliche Kartoffel-Knollen
■ Mit den „Trüffeln der Inkas“ haben die meisten Erdäpfel kaum noch etwas gemein
„Kartoffeln haben viele tolle Eigenschaften“, schwärmt Gerlinde Stehr aus Küsten-Lübeln. In ihrem Kartoffel-Restaurant kann man aus mehr als 80 Knollen-Gerichten wählen: von der kräftigen Kartoffelsuppe über feine Kartoffeltaler mit Lachs bis hin zur „brennenden Dessert-Kartoffel“.
Frau Stehr hält das ganze Jahr über etwa 20 verschiedene Kartoffelsorten bereit. „Ich will zeigen, daß es die Vielfalt noch gibt“, sagt die Chefin. In Läden und Supermärkten ist die Auswahl dürftiger. Dabei hat das deutsche Bundessortenamt 113 Speisekartoffel-Sorten zugelassen. Aber nur wenige werden von den Kartoffelorganisationen in den Markt gepuscht.
Oft wird das zarte Aroma durch überreichliche Düngung verdorben. Verbraucherzentralen kritisieren zudem zu hohe Nitratgehalte, die vor allem eine Folge der Überdüngung sind. Nitrat wird im Körper zu Nitrit abgebaut, das sich mit bestimmten Eiweißstoffen zu krebserregenden Nitrosaminen verbinden kann.
Der konventionelle Kartoffelanbau ist auch einer der pestizidintensivsten. Rückstände von Pflanzenschutzmitteln können auf den Erdäpfeln verbleiben, wie Untersuchungen des Bundesgesundheitsamtes ergaben. Vor allem die krankheitsanfällige niederländische Bintje ist eine wahre Giftknolle: Sie wird fünfmal häufiger gespritzt als andere Sorten.
Da Pflanzenschutzmittel Geld kosten, werden von den Landwirten zunehmend krankheitsresistente Sorten verwendet. Das Züchten solcher Kartoffeln ist allerdings aufwendig. Daß es mit Hilfe der Gentechnik schneller geht, hat die Industrie längst erkannt. Derzeit befinden sich zwar alle entsprechenden Aktivitäten noch im Versuchstadium. Doch es ist nur eine Sache der Zeit, bis die Genknollen auch auf den Markt kommen.
Während jeder Deutsche vor 30 Jahren noch rund 125 Kilo Kartoffeln im Jahr verputzte, sind es heute nur noch ca. 40 Kilo. Gefragter sind Kartoffelprodukte aus der Tüte. Die enthalten allerdings meist eine ganze Palette Zusatzstoffe - die jedoch nicht alle deklariert werden. Verschiedene Untersuchungsämter bestätigen: Vor allem die Zugabe von Di-Phosphat und Schwefeldioxyd wird häufig verschwiegen. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte frische Kartoffeln essen. Aromatische, gelbfleischige ein wenig mehlige Sorten findet man auf Märkten, in Bioläden oder direkt beim Erzeuger. A. Sabersky
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