„Kommunikation vergrößert den Erfolg!“

■ Peter James, Geschäftsführer des neuen „Verbandes Unabhängiger Tonträger“, zum Zweck einer Independent-Lobby

taz: Der Verband Unabhängiger Tonträgerunternehmen (VUT), der im Mai gegründet wurde und sich Ende August auf der POPKOMM in Köln der Öffentlichkeit vorgestellt hat, ist ein Lobby-Unternehmen für Independent Labels. Welches war die Unzufriedenheit, die dazu geführt hat, einen Interessensverband für Indies zu gründen?

Peter James: Die Idee ist die Fortführung der Hamburg Independent Nights, die der Kommunikation der Independent-Labels dienen sollte. Im Verlauf von drei Jahren wurde mir klar, was bei den Indies für ein unheimliches Defizit in Sachen Know-How besteht. Indies sind eigentlich alles Leute, die sich das Geschäft learning-by-doing erarbeitet haben und wenig Kenntnis darüber besitzen, wie man sich richtig finanziert. Das führt dazu, daß die Einzelkämpfer alle völlig überlastet sind, was dann häufig zu Lasten der Bands geht. Dann haben sich im Zusammenhang der CD-Preisthematik letztes Jahr ein paar Metal-Label zum sogenannten Interpool zusammengeschlossen. Da hat jedes Label einen Aufgabenbereich für alle übernommen aber das hat prompt zu Problemen geführt. Mit diesen haben wir uns dann Ende letzten Jahres noch einmal sehr intensiv über diese Problematik auseinandergesetzt und dabei gemerkt, daß man eine Interessenvertretung braucht.

taz: Es gibt nun aber wirklich schon seit vielen Jahren immer wieder den Versuch, Solidargemeinschaften der Independents zu gründen. Bis auf den EFA-Vertrieb hat das meines Wissens nie geklappt. Deswegen frage ich mich, aus welcher Motivation heraus das jetzt plötzlich klappen soll?

James: Es gibt zwei Gründe. Einmal die Art des Zusammenschlusses als Verein. Der Verein ist ein klassisches Instrument für viele Leute, die die Kontrolle nicht völlig aus der Hand geben wollen. Das zweite ist, im Moment verändert sich sowohl vom technischen als auch von der Medienlandschaft unheimlich viel. Das heißt, etliche Labels bekommen den Existenzdruck plötzlich ganz fühlbar zu spüren. In solchen Situationen sind die Leute dann immer eher bereit, sich zusammenzuschließen. Außerdem ist es wichtig, daß durch den Hamburger Interessensverein RockCity erstmals ein solche Initiative außerhalb eines federführenden Labels gestartet wird.

taz: Welches sind eure Ziele ?

James: Es kommt jetzt erst einmal darauf an, eine vernünftige Struktur aufzubauen und weitere Mitglieder zu werben. Dann suchen wir Kontakte zu anderen Verbänden. Dieser Tage werden wir uns beim Fachverband der Phonographischen Industrie vorstellen. Wir haben im Vorwege vereinbart, daß wir uns assoziieren wollen. Das bedeutet, daß eventuell im Rahmen des Bundesverbandes ein Arbeitskreis eingerichtet wird, wo die Wissenslücken, die zwischen Major- und Independent-Labels bestehen, geschlossen werden können. Die Phonoindustrie kann oft gar nicht nachvollziehen, was sich aus der Handlungsweise der Majors für die kleinen Firmen direkt an Problemen ergibt. Mein Wunsch ist, daß man mit dem Fachverband gemeinsam Modelle der Zusammenarbeit von Majors und Indies entwickelt. Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt ist, daß die Indies ihr Anliegen bei den Öffentlich-Rechtlichen vortragen. Außerdem bietet es sich für einen solchen Interessensverband natürlich an, förderlich in die Struktur der Labels untereinander einzugreifen. Rechtliche Beratung, Marketing-Instrumente, Werbe-Konzepte und Finanzierung undsoweiter kann als Know-How-Vermittlung für die Mitglieder zur Verfügung gestellt werden. Außerdem könnte man einmal darauf hinwirken, daß die Labels ihre Kontakte zusammenwerfen und man einen Katalog auf die Beine stellt. Gerade im Booking-Bereich könnte das sehr sinnvoll sein.

Außerdem will ich hier in Hamburg eine zentrale Informationsstelle einrichten, damit sich hier sowohl Konsumenten, als auch Journalisten Auskünfte holen und Kontakte vermittelt werden können. Weiterhin wollen wir Brancheninformationen an unsere Mitglieder weitergeben. Im Moment ganz vorne angestellt haben wir die Entwicklung von statistisch abgesicherten Independent-Charts. Das ist eindeutig eine Verkaufshilfe für Indie-Gruppen und fördert ein Interesse für das Umfeld sowohl bei Journalisten wie bei Konsumenten.

taz: Ist das denn mit zwei Leuten überhaupt leistbar?

James: Daß das Ganze jetzt ein Versuch ist, der nach einem Jahr Erprobungsphase natürlich ganz anders abgewickelt werden muß, ist klar. Ansonsten kann es ja auch so kommen, daß einzelne Bereiche abgesplittet werden und daraus kommerzielle Unternehmen werden. Zum Beispiel eine eigene Konzertagentur für Indies.

taz: Aber lassen sich die doch sehr unterschiedlichen Interessen von einem Ein-Personen-Label mit Indie-Ideologie und einem kommerziell erfolgreichen Groß-Indie überhaupt homogen vertreten?

James: Ich glaube, daß wenn ein Indie-Label die Möglichkeit hat, mit einem Major zusammenzuarbeiten ohne Identitätsverlust, daß sie das dann auch tun werden. Und wenn es dann so eine Clearing-Stelle gibt, wo Kontaktanbahnung stattfindet und dafür gesorgt ist, daß die richtigen Leute zueinanderkommen, dann kann das eigentlich nur produktiv sein. Es geht ja auch nur darum, die Möglichkeit zu schaffen, die die Mitglieder in Anspruch nehmen können. Selbst Punk-Labels sehen doch ein, daß so ein Zusammenschluß Sinn macht. Es ist das alte Problem: Wie rede ich dem einzelnen Mitbewerber aus, daß dieser kleine Wissensvorsprung, den er hat, ihm nicht wirklich ein Konkurrenzvorteil sichert, sondern daß je mehr er von dem anderen erfährt und je mehr er bereit ist, davon etwas umzusetzen, daß dann für alle auch der Erfolg größer sein kann.

taz: Das setzt von den einzelnen Labels aber viel Vertrauen voraus.

James: Das ist richtig. Auf der anderen Seite ist in den letzten zwei Jahren viel Mißtrauen abgebaut worden und wir sind jetzt bereits 34 Label mit ansteigender Tendenz und das ist meines Wissens nach der größte Zusammenschluß, den es bisher gab.

taz: Siehst du eine Möglichkeit, mit so einem Interessenverband darauf einzuwirken, daß die minimalen Kultur-Subventionen für Popmusik sich erhöhen?

James: Ich sehe die Ausrichtung in den Kulturbehörden als völlig verfehlt an. Wenn man bedenkt, daß diese sich von einer Lobby einkreisen lassen, die dafür sorgt, daß zum Beispiel Theater völlig übersubventioniert sind, dann wird klar, daß Kultursubventionen für diesen Verband momentan nur ein Abfallprodukt sein kann. Ich habe neulich einen Brief in die Kulturbehörde geschickt, in dem ich darauf hingewiesen habe, daß der Anteil der Förderung im Bereich Rockmusik zu niedrig ausgefallen ist. Daraufhin habe ich vom Verwaltungschef Plagemann einen Brief erhalten, den ich als sehr zynisch empfinde. Er bietet mir einen Schulterschluß RockCity-Kulturbehörde an, um Öffentlichkeit und Bürgerschaft davon zu überzeugen, daß in dem Bereich mehr zu tun ist. Nun habe ich versucht ihm nachzuweisen, daß man die Öffentlichkeit natürlich nicht überzeugen muß, das sieht man schon am Käuferverhalten. Es wird ja sehr viel konsumiert in diesem Rockbereich, es sind eben nur überwiegend ausländische Künstler. Der Zynismus dabei ist, die Kulturbehörde ist momentan über dieses Feigenblatt der Förderung der Rockvereine hinaus nicht im geringsten dazu bereit, im Hause mit uns zusammenzuarbeiten, selbst in den Bereichen, in denen sie ohne großen Aufwand etwas bewegen können, zum Beispiel bei der Präsentation von Hamburger Kultur in Prag. In diesem Zusammenhang ist dieser Brief eigentlich eine Frechheit. Man glaubt dort, die Rockmusik trage sich selbst, aber das betrifft eben nur ausländische Künstler.

Deswegen sehe ich unsere Aktivitäten mehr im wirtschaftlichen Bereich, denn es gibt eine Unzahl von Töpfen in der Wirtschaftsbehörde für mittelständische Unternehmen, derer man sich bedienen kann, wenn man weiß, daß es sie überhaupt gibt. Das werden wir als Verband vorrangig angehen. Die Kulturbehörde sehe ich da mehr in den Fängen von Seilschaften, die Bestandssicherung für ihre eingefahrenen Institutionen dort rausholen. Und dennoch sieht man, daß es jedes Jahr in diesem Gebälk wieder kracht. Hier läßt sich der Staat an der Nase herumführen. Allein wenn man sich mal die Fabrik ansieht, die mit über einer Million gefördert wird, wovon nichts beim Hamburger Künstler hängen bleibt. Die müssen dort nur mitkriegen, daß eine Veranstaltung öffentlich gefördert wird, sofort gehen die mit ihren Preisen für Anlage, Personal und so hoch.

taz: Hast du denn das Gefühl, daß diese Indie-Szene momentan finanziell gesund ist, oder wird die Rezession gerade die Kleinen als erste vom Markt brechen?

James: Es wird viel abbrechen, aber es wird im selben Moment viel neu entstehen. Es geht diesem Verband ja darum, Einzelunternehmern, die oft aus reiner Neigung Platten produzieren, in die Lage zu versetzen, kostendeckend zu arbeiten. Dieser Enthusiasmus für die Musik ist das, was man sich in der Kulturbehörde immer so schön als ehrenamtliche Tätigkeit erhofft, damit man die Gelder in die teuren Bereiche lenken kann. So versucht die Kulturbehörde, die Arbeit die sie leisten müßte, sich auf dem ehrenamtlichen Markt zu beschaffen und spart so eine Menge Kosten.

Fragen: Till Briegleb