„Ich sollte meinen letzten Wunsch sagen“

■ Die von türkischem Militär verschleppte Nulifer Koc berichtet in Bremen von Verhören und Folterungen

„Sie haben mir eine Augenbinde umgelegt und mich nackt ausgezogen. Eimerweise haben sie kaltes Wasser über mich gekippt. An den Haaren wurde mir der Kopf gegen die Wand geschlagen. Dann haben sie mir eine geladene Waffe an die Stirn gedrückt und gesagt, ich solle meinen letzten Wunsch äußern. Wieder wurde ich ausgezogen und in Handschellen zwei Stunden lang an einen Haken gehängt. Dazu haben sie Musik von Phil Collins gespielt. Damit ich mich ein wenig zu Hause fühle, haben sie gesagt.“

Stockend und leise berichtet Nulifer Koc von dem, was sie sieben Tage lang in den Händen des türkischen Militärs erlebt hat. „Eigentlich kann ich das nicht mit Worten beschreiben“, sagt sie am Anfang und versucht es dann doch. „Nackte Gewalt“ sei es gewesen, was sie die ersten drei Tage nach ihrer Verschleppung im kurdischen Sirnak erlebt habe. „Bei den Verhören gab es zum Teil eine Rollenteilung“, berichtet sie, „zwei Soldaten waren die brutalen, und zwei haben die netten gespielt.“

Immer wieder sei sie nach Einzelheiten über die politischen und kulturellen Aktivitäten von Kurden in Bremen befragt worden. Vor allem Namen von Aktiven, Geldquellen und deutsche Kooperationspartner kurdischer Organisationen sollte sie nennen. „Aber das konnte ich ja nicht“, sagt Nulifer Koc, die als Dolmetscherin eine Oldenburger Menschenrechts-Delegation nach Türkisch-Kurdistan begleitet hatte. „Einige der Verhörer konnten sehr gut deutsch“, erinnert sie sich, „einer hat erzählt, er sei von der GSG 9 ausgebildet worden.“

Erst wenige Stunden war die 25jährige Studentin und stellvertretende AStA-Vorsitzende wieder in Bremen, als sie sich gestern mittag schon wieder Fragen stellte - diesmal allerdings freiwillig vor der Bremer Presse. Ob es nicht unverantwortlich gewesen sei, als Kurdin und türkische Staatsangehörige in das Kriegsgebiet zu fahren, wollte die wissen. „Mir ist es sehr wichtig, daß viele Menschen hinfahren. Wir haben kein einziges Haus ohne Einschüsse gesehen, es ist unvorstellbar“, berichtet Nulifer Koc, „und immer wieder haben uns Leute angesprochen, daß das Militär überall deutsche Waffen verwendet. Könnt Ihr das nicht verhindern, wurden wir gefragt.“

Eine Verhaftung habe sie schon für möglich gehalten, sagt Nulifer Koc, „das ist natürlich Berufsrisiko“. Aber die Folterungen, die sie dann erlebte, „die habe ich mir nicht denken können.“ Trotzdem: „Ich würde das immer wieder machen.“

Eine Begründung habe sie weder für ihre Festnahme noch für die spätere Befreiung bekommen, berichtet Nulifer Koc. „Doch am vierten Tag wurde die Stimmung plötzlich anders. Da wußte ich, jetzt muß draußen etwas passiert sein.“ Draußen, das war in diesem Fall die Bremer Kampagne für ihre Freilassung, von vielen unterstützt wurde.

Der Bremer Anwalt Eberhard Schultz will jetzt in Nulifer Kocs Auftrag prüfen, ob es juristische Möglichkeiten gibt, gegen die türkischen Stellen vorzugehen, die sie verschleppt und gefoltert haben. Schultz verwies gestern auch noch einmal auf eine Strafanzeige mehrerer Organisationen, in der deutschen Rüstungsunternehmen wegen ihrer Waffenverkäufe an die Türkei „Beihilfe zum Völkermord“ vorgeworfen wird. Ase