Ein neues Kleid für den Berliner Bären

Die Tourismus GmbH soll der Stadt ein besseres Image verpassen / Neues Logo wird derzeit gesucht / Kleinere Hoteliers wollen gegen Bettensteuer vor dem Verwaltungsgericht klagen  ■ Von Severin Weiland

„Berlin braucht Sicherheit. Deutschland braucht Mut“, forderte in dieser Woche eine ungewöhnliche Anzeige in zwei Berliner Tageszeitungen. So schneidig wie das Motto auch der Text: Da fährt ein Mensch durch die Hauptstadt des Jahres 2000, vorbei an den „visionären Bauten“ und der „zukunftsweisenden Architektur“ des Potsdamer Platzes, an dem Reichstag mit der neuen Glaskuppel, der Wiederaufbau des Schlosses steht kurz bevor. Überall glänzt und strotzt es vor deutscher Gründlichkeit, selbst die Potsdamer Straße ist nun eine „fast so noble Einkaufsmeile wie die Friedrichstraße“.

Auch die Olympia-Niederlage haben die Berliner mittlerweile verschmerzt, wollen gar nach Sydney fahren, denn dort soll es „ja wirklich schön sein“. Und Berlin? Hier wird nicht relaxt, sondern „zukunftsweisende Politik gemacht“. Denn: „Deutschland ist wieder berechenbar und als Wirtschaftsstandort vermittelbar.“ Verantwortlich für den überquellenden Optimismus zeichnet die Werbeagentur M.C.W., die sich den Aufmunterungsakt immerhin 20.000 Mark kosten ließ. Eine „gewisse Lethargie“ habe er festgestellt, die durch die Schlappe bei der Olympia-Bewerbung noch verstärkt worden sei, erklärt Geschäftsführer Alexander Walsen (34) die Motivation für die Anzeige. Die Hoffnung des gebürtigen Braunschweigers: eine „Initialzündung“ für den Mittelstand, der bisher weitgehend geschwiegen habe.

Im Gegensatz zu den privaten Bemühungen eines Herrn Walsen darf sich seit dem 1. Oktober Hanns Peter Nerger als Geschäftsführer der Tourismus GmbH, in der der Senat rund 30 und die Privatwirtschaft 70 Prozent der Anteile hält, um ein neues Kleid für Berlins Bären bemühen. Bis Ende Dezember stehen vier Millionen, im nächsten Jahr 13 Millionen Mark zur Verfügung. Zunächst einmal will Nerger ein neues Berlin-Logo entwerfen lassen. 60 Agenturen haben bereits ihr Interesse angemeldet – Anfang nächsten Jahres sollen fünf bis sechs zur Präsentation eingeladen werden, so Nerger. Mit Vorgaben für ein künftiges Image hält sich der 46jährige zurück: „Ich lasse die Vorschläge auf mich zukommen.“

Wichtig sei ihm jedoch die „Produktentwicklung“: Pauschalangebote für bestimmte Zielgruppen, etwa im sportlichen, kulturellen Bereich. Auch Touren durch das Berliner Milieu könne er sich als Attraktion vorstellen. So biete gerade Ostberlin eine „unglaubliche Palette an Kleinkultur“, gebe es sehr viele kleine Pensionen in der westlichen Innenstadt. Vordringlichstes Ziel ist für Nerger, der in den letzten neun Jahren im Verkehrsamt und der Kurverwaltung von Lübeck tätig war, den „Negativtrend bei den Übernachtungszahlen in Berlin zu stoppen“. So seien von 1991 bis 1992 die Übernachtungszahlen in Betrieben mit mehr als acht Betten um 9,5 Prozent zurückgegangen.

Gewicht legt Nerger auch auf eine enge Verzahnung mit einer vom Wirtschaftssenator Norbert Meisner (SPD) angekündigten Kampagne zum Standortmarketing. Laut Wirtschaftsverwaltung soll diese in den nächsten Wochen national und bei „ausgewählten, High-Tech-orientierten und forschungsintensiven Industrien und Dienstleistern“ anlaufen. Nergers Sorge: Es dürfte auf keinen Fall mit zwei unterschiedlichen Berlin- Logos geworben werden.

Noch steht die Tourismus GmbH nicht auf sicherem Fundament. Der im Vorfeld mit scharfen Worten geführte Feldzug kleinerer und mittlerer Hoteliers gegen die vom Senat verabschiedete Bettenabgabe (0,50 bis 1,25 Mark pro Zimmer und Tag für alle Unternehmen ab acht Betten) wird aller Voraussicht nach im November vor der Justiz weiter ausgefochten werden. Rund 100 Betreiber von Hotels und Pensionen wollen nach Angaben des „Verbandes mittelständischer Hotels“ vor dem Verwaltungsgericht gegen die sogenannte Bettensteuer klagen. Sobald der Senat die mittlerweile eingelegten Widersprüche der Hoteliers gegen die Zahlungsaufforderung abgelehnt hat, ist der Weg zum Gericht frei. Ein Erfolg der Hoteliers würde für die Tourismus GmbH allein 1994 Mindereinnahmen von fast sieben Millionen Mark bedeuten.

Für den kämpferischen Verbandsvorsitzenden Kurt-Erich Slevogt (68) hat Berlins Image in den letzten eineinhalb Jahren durch die Fixierung auf Olympia erheblich gelitten: „Das war die schwerste Blamage, in der bundesdeutschen Presse wird doch nur noch über Berlin gelacht.“ Leider habe der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen den Widerstand auf einige Militante polarisiert, obwohl es auch von anderer Seite durchaus ernstzunehmende Kritik an dem gesamten Projekt gegeben habe. Und schließlich sieht Slevogt einen weiteren Negativeffekt: Werbung hänge auch von den Äußerungen der Berliner Politik ab: „Wir machen uns doch nicht beliebt, wenn wir andauernd diejenigen beschimpfen, die einem Umzug zögerlich gegenüberstehen.“