Hauptstadtvertrag „nur als letztes Mittel“

■ Finanzplanung zum öffentlichen Nahverkehr: Grüne Kritik am Verkehrssenator

Was hat Olympia mit dem öffentlichen Nahverkehr zu tun? Offenbar eine Menge, denn wie die Grünen gestern vor der Presse erklärten, hat Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) nach der Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) von Ende September die für die kommenden neun Jahre geplante Finanzierung für U- und S-Bahn sowie Tram erheblich verändert.

Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Grüne, veröffentlichte gestern zwei Senatsvorlagen zu diesem Thema – eine von vor der Entscheidung des IOC, eine von danach, die der Senat in der vergangenen Woche beschlossen hatte. Von Olympia ist zwar in den Vorlagen keine Rede, nach Olympia soll aber mit einemmal die Verlängerung von U-Bahn-Strecken mehr und die von S-Bahn-Strecken weniger Zeit brauchen als bisher. So soll etwa die U 1 nicht mehr, wie von Staatssekretär Ingo Schmitt (CDU) einst angekündigt, Mitte 1996 vom Schlesischen Tor über die Oberbaumbrücke zum S-Bahnhof Warschauer Straße verlängert werden, sondern erst im Jahr 2002. Die U 5-Verlängerung von Alex bis zum Fernbahnhof Lehrter Bahnhof wurde von 1999 ebenfalls auf 2002 verschoben. Bei der S-Bahn wiederum soll der Lückenschluß zwischen Sonnenallee und Treptower Park nicht erst 1997, sondern schon 1996, die Wiederherstellung der Strecke Westkreuz/Spandau/Falkensee nicht 1998, sondern bereits 1997 möglich sein.

Cramer fand diese Terminveränderungen merkwürdig. Ausgerechnet die Projekte des Senats sollen nunmehr länger dauern, Vorhaben der Reichsbahn hingegen kürzer. Ist das etwa ein Hinweis darauf, daß die Berliner Verwaltungen besonders unzuverlässig arbeiten, fragte der Grüne ironisch. Der Verkehrspolitiker monierte darüber hinaus die Finanzplanung bis zum Jahr 2002. So sollen die gesamten Investitionen für die S-Bahn von 8,9 Milliarden Mark nach der Entscheidung von Monaco vom Bund übernommen werden. „Damit wird den Umzugsgegnern in Bonn in die Hände gearbeitet“, sagte Cramer.

Seine Kritik untermauerte er mit einem Schreiben der Senatskanzlei. Dort hieß es zur ersten Vorlage von Haase: „Die Finanzierung ist völlig ungesichert.“ Auch solle der Hauptstadtvertrag generell „nur als letztes Mittel“ angesehen werden. „Dieser Linie entspricht die Vorlage von der Senatsverkehrsverwaltung nicht.“

Cramer sagt es noch deutlicher: „Auch die jetzt beschlossene Vorlage läßt sich an Dilettantismus nicht überbieten.“ Die Grünen fordern, teure U-Bahn-Projekte nicht mehr zu beginnen, sondern statt dessen die Straßenbahn auszubauen. Dirk Wildt