Die Orion patrouilliert wieder

■ Der schnelle Raumkreuzer fliegt ab heute, 14.45 Uhr, für den Kommerzsender Sat.1

„Ich bin gerne der Einladung gefolgt, auch wenn mir die Scheiße am Bein noch so weh tut!“ Pathetisch stampft der Schauspieler Claus Holm mit seinen Krücken auf den Boden der Special-effect- Halle im Bottroper Bavaria-Filmpark. Zur Wiederbelebung des Raumpatrouille-Orion-Kults wird offensichtlich alles getan. Selbst betrunkene Darsteller mit komplizierten Splitterbrüchen werden angekarrt, damit die Fans in Wallung kommen. „Ein toller Mensch“, raunen sie, als Holm an ihnen vorbeihumpelt.

Claus Holm alias Hasso Sigbjörnsen war das, was Scotty für die Enterprise war, der Chefingenieur. Am 17. September 1966 startete er zusammen mit Dietmar Schönherr, Eva Pflug, Ursula Lillig, Wolfgang Völz und Friedrich Beckhaus zur besten Sendezeit am Samstagabend über die Bildschirme direkt ins All. Angeblich sollen, wie bei den legendären Durbridge-Krimis, die Straßen leergefegt gewesen sein. Einschaltquoten von 40 Prozent soll es gegeben haben. Selbst Talkshow-King Kulenkampff, der parallel auf dem anderen Kanal lief, runzelte die Stirn ob dieser seltsamen Konkurrenz.

Die sieben Raumpatrouille-Folgen waren die erste und einzige deutsche Science-fiction-Serie, die es gab. Sie etablierte das bislang eher belächelte Genre zusammen mit Perry Rhodan und Raumschiff Enterprise. Dreißig Jahre nach Fritz Langs Utopie-Klassikern „Die Frau im Mond“ und „Metropolis“ war das Interesse am All riesig groß. Schließlich lagen die USA und die Sowjetunion gerade mit ihren ehrgeizigen Raketenprojekten im heftigen Wettstreit. Das „Märchen von übermorgen“ war für die Zuschauer wohl auch wegen der guten Besetzung der Rollen und wegen des durchdachten Stylings der Kulissen so überzeugend. Die Bavaria hatte die Serie mit einem Produktionsetat von 3,4 Millionen Mark versehen. Eine unglaublich hohe Summe in der damaligen Zeit. An den Kosten scheiterte auch eine Fortsetzung nach den sieben Episoden. Man hätte in Farbe statt in Schwarzweiß drehen müssen.

Die Storys waren klassisch gestrickt: Invasoren aus dem All; Meuterei in einer Strafkolonie; Roboter drehen durch; die Erde stößt mit einem Planeten zusammen. Orion hatte keinen Multikulti-Auftrag zur Erforschung fremder Welten, sondern hatte das Bestehende vor Bedrohungen von außen zu bewahren. Die bösen „Frogs“ und die guten Menschen im kalten Krieg bei minus 250 Grad im All.

Ebenso wie das Feinbild war auch die Rollenverteilung klar. Die Männer hatten das Sagen und machten frauenfeindliche Witzchen. Einzige Ausnahme war Eva Pflug als Sicherheitsoffizier Tamara Jagellovsk. Typisch war auch der selbstironische Ton der Serie. „Das war Science fiction“, sprach Atan Shubashi, der Astrogator als letzte Worte am Ende der ersten Sendung.

Das die Orion-Folgen nicht schon längst unendliche Male im TV abgenudelt wurden, lag schlicht am Geschäftssinn eines Berliner Filmverleihs. Als 1985 auf einer Special-effects-Retrospektive zwei der Folgen mit unerwartetem Erfolg gezeigt wurden, schnappte sich der Sputnik-Verleih die Rechte und spielte die Filme landauf, landab in den Programmkinos. Der Privatsender Sat.1 hat diese Rechte nun gekauft und veranstaltet dazu die passenden Events, wie das Fanclub-Treffen am vergangenen Wochenende im Bottroper Bavaria-Filmpark. Auch das seinerzeit verpaßte Merchandising wird nun nachgeholt, die CD und das Buch zur Serie sind pünktlich erschienen.

Warum ist Raumpatrouille Orion zur Kultserie geworden? „Weil es nur so wenige Folgen davon gab und sie ein Stück Jugenderinnerung geworden sind“, weiß Ralf Cramer, Leiter des Orion- Fanclubs Deutschland. Forever young bis ins Jahr 3000. Damit folgt der Orion-Kult den Regeln, denen auch der Marilyn-Monroe-, der James-Dean- und der Elvis- Mythos folgt: Stirb früh, und du lebst ewig.

Kult ist die Serie aber auch wegen der Elemente, die sie heute so schrill und unfreiwillig komisch macht. Zum Beispiel das gesamte Dekor mit seiner fortgeführten Nierentisch-Ästhetik der 50er und die Schauspielerinnen mit den hochtoupierten Sixties-Frisuren. Die „Lichtspruchanlage“, die aus dicken Knöpfen und einem Bildschirm mit verschiedenen Sägezahnschwingungen bestand. Der Hauptschalter im Maschinenraum, der eindeutig als Bügeleisen (Marke Rowenta) zu erkennen ist. Der Bleistiftanspitzer als Steuerelement, der eckige Tanz, der dem Tekkno-Gehopse der Jetztzeit durchaus ähnelt. Daß Trickspezialist Theodor Nischwitz damals seine Haushaltseinrichtung in die Kulisse eingebaut hat, freut die wahren Orion-Fans, die selbst jetzt noch auf Trödelmärkten die verwandten Bügeleisen, Nähgarnrollen und Eisportionierer erstehen können.

Und was ist mit „Orion – The next Generation“? Gerüchte um eine Fortsetzung hat es immer wieder gegeben. Die Bavaria selbst hat sie bei der Eröffnung ihres Filmparks in Bottrop genährt. Man denke ernsthaft an eine Fortsetzung, wobei man die Kulisse des Filmparks für Außenaufnahmen verwenden will. Dort steht, als eine Art High-Tech-Achterbahn, die Orion-2, ein riesiges Aluminiumröhren- und Kuppel-Monstrum. Mag es weitergehen oder auch nicht, für Fan Ralf Cramer ist eines gewiß: „Orion lebt ewig!“ Christian Scheuß