■ Somalia :Die USA stehlen sich aus der Verantwortung
: Schwarzer Peter für die UNO

Keiner Miliz, keinem Terrorkommando und keiner Guerillaorganisation könnte es gelingen, das Ansehen der UNO so nachhaltig zu beschädigen wie es jetzt US-Präsident Clinton vollbracht hat: Dessen lapidare Ankündigung, die nun zusätzlich nach Somalia entsandten Streitkräfte würden unter dem Oberkommando Washingtons und nicht etwa unter dem Befehl der Vereinten Nationen stehen, ist völkerrechtlich fragwürdig, in ihrer psychologischen Wirkung verheerend und in ihren unausgesprochenen Implikationen denunziatorisch. „Unsere Jungs“ schützen wir selbst. Nur wir. Und nur die.

Es waren die USA, die auf eine militärische Intervention in Somalia gedrängt hatten. Warnende Stimmen selbst aus den eigenen Reihen wie die des damaligen amerikanischen Botschafters in Kenia, Smith Hempstone, – „wenn euch Beirut gefallen hat, werdet ihr Mogadischu lieben“ – wurden überhört. In einem Streit über die genauen Bestimmungen des Mandats mit UNO-Generalsekretär Butros Ghali, der auf eine rasche Entwaffnung der Milizen drängte, setzten die USA sich durch. Eine systematische Entmilitarisierung fand nicht statt. Seit im Mai der Oberbefehl von den USA auf die UNO überging, haben US-Truppen auf eigene Faust operiert. Jetzt will Washington andere die Suppe auslöffeln lassen, die es selbst angerührt hat.

Das Blutbad in Mogadischu war keine überraschende Wende der Dinge, es war auf schreckliche Weise vorhersehbar. Die einstige somalische Kolonialmacht Italien hatte in ungewöhnlich offener Form davor gewarnt, mit Farrah Aidid einen Hauptschuldigen an der Misere zu brandmarken. Dies müsse zu einer Eskalation der Gewalt führen. Washington hat, wieder einmal, nicht zugehört – das Pentagon wollte nicht glauben, daß wenige, schlecht ausgebildete Milizen der Weltmacht USA bedrohlich werden könnten. Arroganz der Macht paarte sich mit einem kurzen Gedächtnis für die eigene Geschichte.

Wenn Präsident Clinton jetzt die Beteiligung anderer afrikanischer Staaten am Friedensprozeß als Lösungsmodell anpreist und politischen Verhandlungen den Vorrang vor militärischen Operationen geben will, dann greift er damit Vorschläge auf, die von Landeskennern bislang vergeblich immer wieder ins Spiel gebracht worden waren. Das wäre erfreulich, verbände sich damit nicht der Versuch, den Schwarzen Peter für das bisherige Debakel der UNO zuzuschieben und ihrem ohnehin lädierten Ruf so weiter zu schaden. Wenn die Vereinten Nationen unfähig sind, auch nur die relative Sicherheit ihrer Truppen zu gewährleisten – wie sollen sie dann in Somalia das „sichere Umfeld“ schaffen, das für eine Friedenslösung gebraucht wird? Indem Washington diese Frage im Raum stehen läßt und sich aus der Verantwortung stiehlt, erschwert die US-Regierung nicht nur die Arbeit ziviler UNO-Beamter in Somalia, sondern auch die ihrer Kollegen in Angola, Mosambik und anderen Teilen der Welt. Sollten diese auch aufgrund eines leichtfertig dahergeredeten Autoritätsverlustes scheitern, dann wird wohlfeile Kritik an den Vereinten Nationen wieder weltweit zu lesen sein. Bettina Gaus