Es menschelt in der CSU: Parteitag der Skandälchen

■ Mit Vorwärtsverteidigung begegnen die christsozialen Oberen auf dem 57. Parteitag den Vorwürfen gegen Mandatsträger / Generalsekretär beklagt Mitgliederschwund

München (taz) – Eine „tief verwurzelte Volkspartei“ will sie bleiben, die CSU, und mit einem neuen Grundsatzprogramm ihren Wählern Werte erschließen, die auch im Superwahljahr 1994 Bestand haben.

Bloß dumm, daß das Verhalten mancher Parteipolitiker in der letzten Zeit Zweifel an ihren christlich-sozialen Grundsätzen zuließen. Der jüngste Skandal um den stellvertretenden Parteivorsitzenden Gerold Tandler, der als bayerischer Finanzminister eine Steuerschuld von knapp 71 Millionen Mark niedergeschlagen haben soll, hat die schöne Regie des 57. Parteitags durcheinandergebracht.

Schon in den ersten Sätzen an die knapp 1.100 Delegierten in der Bayernhalle auf dem Münchner Messegelände trat Parteichef Theo Waigel die Vorwärtsverteidigung an. „Ein Trommelfeuer unserer Kritiker und Gegner gegen uns als Partei und gegen einzelne aus unseren Reihen soll für die richtige Einstimmung sorgen. Zwietracht soll gesät, Verunsicherung erzeugt werden.“ Man werde überfallen, bevor man das Podium betreten habe, klagte Waigel. Edmund Stoiber versuchte anschließend, die Krise zu verniedlichen. „Es menschelt auch bei uns“, so der bayerische Ministerpräsident. „Skandale und Skandälchen gehören auch zu der deutschen Parteigeschichte.“ Heftig warf sich Stoiber für Kohl- Protegé Heitmann ins Zeug: Die Debatte um den Anwärter aufs Präsidentenamt dürfe nicht länger mit der Arroganz westdeutscher Bürger und Politiker geführt werden.

Generalsekretär Erwin Huber sieht einmal wieder „Züge einer Kampagne“ in den Vorwürfen gegen Tandler, der heute erneut für das Amt des stellvertretenden Parteivorsitzenden kandidieren soll, als wäre nichts geschehen. Mit ihm bewerben sich zwei Frauen für die insgesamt vier Stellvertreterposten: Barbara Stamm und Monika Hohlmeier, die Staatssekretärin im Kultusministerium ist, gilt nicht nur wegen ihres Mädchennamens Strauß als eine der großen Hoffnungsträgerinnen der Partei. Nachdem Peter Gauweiler und Gerold Tandler ins Zwielicht gerieten, ist sie bald das einzige unbescholtene politische Talent der CSU.

Die politischen Skandale der jüngsten Zeit haben sich offensichtlich auch in den Mitgliederzahlen niedergeschlagen. Generalsekretär Huber beklagte einen überdurchschnittlichen Mitgliederschwund für das Jahr 1993. Hauptsächlich führt er dies auf eine drastische Erhöhung der Beiträge zurück, doch er gab zu, daß einige Austritte auch mit der Amigo-Affäre des ehemaligen Ministerpräsidenten Max Streibl begründet wurden.

Streibl wird wieder für einen der 30 Beisitzerposten im Parteivorstand kandidieren. Die Wiederwahl Theo Waigels an die Spitze der CSU gilt allgemein als gesichert. Neben der Vorstandswahl steht vor allem die Verabschiedung des neuen Grundsatzprogramms auf der Tagesordnung. Das Programm trägt den Titel „In Freiheit dem Gemeinwohl verpflichtet“. Unterdessen soll der Bayerische Oberste Rechnungshof klären, wie 1988, als Tandler an der Spitze des Bayerischen Finanzministeriums stand, die Steuerschuld des Industriellen Eduard Zwick in Höhe von knapp 71 Millionen Mark niedergeschlagen werden konnte – zum Schaden des Freistaats und des Gemeinwohls. Henrike Thomsen