Jugend ohne Theater?

■ JAK-Chef Jürgen Zielinski will die Leitung des Jugendtheaters niederlegen

Jürgen Zielinski legt zum 31. Dezember 1993 die Leitung des Jugendtheaters auf Kampnagel (JAK) nieder. Er zieht damit die Konsequenz aus einer Kulturpolitik, die bei knapper werdenden Mitteln für dieses bedeutende und vielleicht innovativste Jugendtheater in Deutschland nur warme Worte aber keine klaren Entscheidungen gefunden hat. Hatte Kultursenatorin Christina Weiss bei der Berufung Zielinskis noch vollmundig versprochen, daß dem JAK nach einjähriger Bewährung in der Experimentierphase die Eigenständigkeit sicher sei, so knickte sie in den Senatsberatungen über den Haushalt 1994 in diesem und weiteren, das Theater betreffenden Punkten ein.

Zwar lobt sie das Theater als vorbildlich und ihr Staatsrat Knut Nevermann spricht sogar von „Herzblut“, das an diesem JAK hänge, aber dennoch hat sie weder eine konsolidierende Finanzierung noch die Zusage der Selbständigkeit verwirklichen können.

Vielmehr wurde der JAK-Etat für 1993 „vergessen“ und die Bewilligung für 1994 mit 1,5 Millionen Mark entpuppte sich als Milchmädchen-Rechnung mit Teufelsfuß. Denn auf die plötzlich versagte Verselbständigung reagierte die Kampnagelleitung verständlicherweise mit einer Erklärung, die klar stellte, daß das ebenfalls chronisch unterfinanzierte Kulturzentrum eine weitere Integration des JAK im Kampnagel-Verwaltungsbetrieb nicht mehr mittragen kann. Nach der Senatsentscheidung, das JAK auf die „Kulturhalde Kampnagel“ zu werfen, wo man sich dann irgendwie über die Bedingungen einigen solle, sah sich der kaufmännische Geschäftsführer Jack Kurfeß gezwungen, einen Betriebskostenanteil von 200.000 Mark vom JAK zu verlangen.

Durch diese weitere Verringerung eines an sich schon unzumutbar kleinen Etats, der zudem keinerlei investive Mittel für Probebühne und Foyer vorsah, und durch die fehlende Bereitschaft der Kulturbehörde, sich die existenzbedrohenden Probleme des Theaters zu eigen zu machen, sah sich Zielinski im Regen stehen gelassen. „Es soll kein selbständiges Theater geben, folglich bedarf es auch keines Theaterleiters“, brachte er es am Sonnabend in einer Presserklärung auf den Punkt. Ohne diesen Theaterleiter wird es auch das JAK nicht mehr geben.

Zermürbt hat Zielinski wohl auch das entsetzliche Unverständnis politischer Entscheidungsträger, die weder die Notwendigkeit eines, noch dieses Jugendtheaters jemals begriffen haben und das Theater entweder als sozialpädagogische Anstalt oder als luxuriöses Selbsterfahrungs-Projekt betrachteten. Das hier jetzt eventuell der größte kulturelle Verlust der letzten Jahre zu beklagen sein wird, wird diesen Damen und Herren wahrscheinlich erst dann aufgehen, wenn ihre eigenen Kinder mit einem eintätowierten Hakenkreuz von der Schule nach Hause kommen.

Till Briegleb