Einheit und Einigkeit soll die CSU retten

Auf dem CSU-Parteitag wurden Waigel und Tandler in ihren Ämtern bestätigt und Monika Hohlmeier in den Vorstand gewählt / Schelte für Heitmann-KritikerInnen aus der Union  ■ Aus München Henrike Thomsen

Ach. Einheit! Dein Gespenst schwebte an diesem Wochenende durch die Bayernhalle auf dem Münchner Messegelände wie das Irrlicht durchs Märchen. Nicht nur als Maßgabe für Deutschland, sondern als Wunderdoktor für alle Übel wurde das Gespenst auf dem 57. Parteitag der CSU gepriesen.

Ob der Zustand der Unionsparteien oder der Zustand der Demokratie, ob die Krise in der Wirtschaft oder die Vollendung der Europäischen Gemeinschaft: Einheit. Einigkeit, Zusammenhalt, Geschlossenheit, Solidarität. Schlagwörter, die auf dem Parteitag formuliert wurden, um vor dem Superwahljahr '94 parteiinternen Zusammenhalt zu beschwören.

Mehr Zusammenhalt mahnte Theo Waigel, der von knapp 94 Prozent der Delegierten in seinem Amt als Parteichef bestätigt wurde, auch in der CDU an. Nur so könnten die Unionsparteien bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr erfolgreich sein.

Die UnionspolitikerInnen, die sich in den letzten Tagen gegen den Präsidentschaftskandidaten Steffen Heitmann aussprachen, mußten Schläge von allen Seiten einstecken. Stoiber sah in der Kritik von Friedbert Pflüger, Heiner Geißler und anderen die Arroganz der Politiker und Bürger der alten Bundesrepublik. Bundeskanzler Helmut Kohl warnte in einem Grußwort: „Wenn einer in unseren Reihen glaubt, sich da profilieren zu müssen, dem sage ich: Solches Tun richtet sich am Ende selbst. Ich finde das ziemlich armselig.“

Heitmann sei vielleicht nicht so wortgewandt und weltläufig, räumte der Kanzler ein. Er sieht darin allerdings ein Gütesiegel: Heitmann habe eben sein Leben in der DDR „mit Anstand“ hinter sich gebracht und nicht wie andere Günstlinge der SED seine Sprache auf Auslandsreisen geschärft.

Geschlossenheit in den eigenen Reihen forderten sowohl Waigel als auch Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber. Aktueller Anlaß: die Kritik an Gerold Tandler, der mit einem blauen Auge davonkam und mit 78 Prozent der Stimmen als Partei-Vizechef wiedergewählt wurde. Tandler werden seine geschäftlichen Beziehungen zu dem steuerflüchtigen Industriellen Eduard Zwick vorgeworfen. 1988 schlug das bayerische Finanzministerium, an dessen Spitze Tandler stand, eine Steuerschuld Zwicks von knapp 71 Millionen Mark nieder. Berichte darüber im Vorfeld des Parteitags waren nach Waigels Ansicht nur darauf aus, Zwietracht zu säen. „Das wird so weitergehen“, unkte der CSU-Chef. „Gegen mich und gegen alle, das ganze Jahr.“ Da helfe nur – Solidarität.

„Ich habe festzustellen, daß ich mit der Steuerangelegenheit Zwick in meiner Zeit als bayerischer Finanzminister nicht befaßt war“, erklärte Tandler auf dem CSU-Parteitag. Auch habe er bei seiner geschäftlichen Verbindung mit dem Industriellen Eduard Zwick, der mit einem Kurbad reich wurde, keine Millionengewinne gemacht. Der Aufklärung durch einen Untersuchungssausschuß des Bayerischen Landtags sehe er gelassen entgegen: „Ich habe mir in diesem Zusammenhang nichts vorzuwerfen.“

Tandler und der Strauß-Freund Zwick wurden 1984 gleichberechtigte Teilhaber an einer Hotelfachschule im oberbayerischen Altötting. Zwick wurde zu diesem Zeitpunkt per Haftbefehl wegen Steuerhinterziehung gesucht. Das Finanzamt wollte Zwicks Anteil pfänden, doch den Beamten wurde bedeutet, da sei nichts zu holen, berichtete das Fernsehmagazin „Report“ in der vergangenen Woche. Im September 1985 wurde die Pfändungsverfügung aufgehoben, und Tandlers Frau kaufte Zwicks Anteil an der Hotelfachschule angeblich für eine symbolische Mark. Nur wenige Wochen später brachten die Tandlers das Haus für 5,4 Millionen Mark an den Mann. Er habe daran nicht verdient, so Tandler, der sich selber auch als Wirt in der Altöttinger „Post“ betätigte. Vielmehr habe er gerade die Schulden ausgleichen können, die er für die geschäftliche Investition gemacht habe.

Zwick saß seit 1984 in der Schweiz, wo ihm ein Arzt dauernde Verhandlungsunfähigkeit bescheinigte. Der Haftbefehl wurde aufgehoben, es blieben die Steuerschulden in Höhe von 70,9 Millionen Mark. Die schlug das bayerische Finanzministerium im November 1990 gegen eine Zahlung von 8,3 Millionen Mark nieder. Minister Tandler will von den Vorgängen nichts gewußt haben.

Neben Tandler wurden die Strauß-Tochter Monika Hohlmeier, die Fränkin Barbara Stamm und der Europaabgeordnete Ingo Friedrichs als stellvertretende Parteivorsitzende in den Vorstand gewählt.

Einmal mehr beschwor man den Zusammenhalt der demokratischen Parteien gegen die Radikalen, wobei der „Terror von links“ immer noch vor rechter Gewalt genannt wird.

In ihrem neuen Grundsatzprogramm, das die über 1.000 Parteitagsdelegierten mit überwältigender Mehrheit verabschiedeten, erhebt die CSU aber auch die europäische Einheit zur „Schicksalsfrage“. Das Programm, in dem die bekannten Positionen der CSU lediglich etwas aktualisiert wurden, soll nach den Worten von Generalsekretär Erwin Huber außerdem die Grenzen des Sozialstaats aufzeigen. Zum Thema Innere Sicherheit heißt es: „Bürgerrechte und Bürgerfreiheiten werden heute ... durch verantwortungslosen und verbrecherischen Mißbrauch von Freiheit und Rechtsordnung bedroht.“ Auf diese Aussage baut sich ein nahezu schrankenloses Ja zur Gewalt des Staates. Gewalt als Kehrseite der Sicherheit.

Nach Sicherheit verlangt der Bürger, sang der Chor in der Bayernhalle. Sicherheit wird gleichfalls zum Synonym von Einheit und Zusammenhalt: keine verwirrende Vielfalt, man möchte wissen, was man hat. Kritisiert wurden die Kritiker – allen voran die kritische Presse –, aber auch Querschießer aus den eignen Reihen. Denen wird unterschwellig gedroht, daß man sich bald einen Platz im Boot sichern müsse, wenn man noch mitfahren will.