“Toll, ich krieg ein Kind!“

■ Vom ganz normalen Frust einer arbeitslosen Schwangeren mit dem Sozialamt

“Dann muß ich eben mit dem Morgenmantel meiner Mutter ins Krankenhaus gehen — der ist halt zu klein und steht dann vorn offen“. Karin S., schwanger im neunten Monat und arbeitslos, hat die Streiterei mit den Behörden vorerst aufgegeben. Das Amt für Soziale Dienste hatte ihren Antrag zum Beispiel auf zwei Still-BHs und einen Morgenmantel abgelehnt. Begründung: Mit ihrem Arbeitslosengeld liege Frau S. 94 Mark über dem Sozialhilfesatz. Dieses „überschießende Einkommen“ könne Frau S. doch „ansparen“. Das ist zwar gesetzestreu argumentiert, „aber diskriminierend“, findet Christa Bruhns von der Solidarischen Hilfe, an die sich Frau S. gewandt hat. Die Begründung des Amtes weiter: Frau S. habe sich bei einem Krankenhausaufenthalt vor zwei Jahren schon mal was von ihrer Mutter ausgeliehen. Warum nicht auch jetzt? Die Mutter aber ist eigentlich viel kleiner als die Tochter. „Ansparen, wie das denn“, sagt Karin S., „ich war doch am Anfang so richtig in Festtagsstimmung: Toll, ich krieg ein Kind! Da kann man doch nicht jeden Pfennig umdrehen!“ Nur bei der Erstlingsausstattung hat das Amt offenbar den Ermessenspielraum ausgeschöpft. Frau S. bekam 536 Mark zum Beispiel für 20 Mullwindeln, 2 Gummihöschen, 2 Ausfahrgarnituren mit Mützchen, Plastikwanne usw.

Doch der Antrag auf Umstandkleidung wiederum wurde abgelehnt: Eine weite Jacke für den Winter — na, solange dauere die Schwangerschaft ja nun auch nicht mehr. Karin S. beantragte beim Amtsgericht eine einstweilige Verfügung. Das Gericht schloß sich jedoch dem Amt für Soziale Dienste an, schlug allerdings vor, daß sich die Schwangere bei einer Kleiderkammer ein Sweatshirt, eine Hose und einen Mantel holen können solle. „Das ist ihr auch zumutbar“, heißt es in der Gerichtsakte.

Gestern stapfte die Hochschwangere von ihrer Wohnung in der Neustadt zum Dobben. Laut Berechtigungsschein vom Sozialamt sollte dort die Kleiderkammer der Inneren Mission sein. Dort ist sie jedoch schon seit sieben Jahren nicht mehr, sondern in der Nähe des Hauptbahnhofs. Jedoch: Sowohl in der Kleiderkammer der Inneren Mission als auch in der des Roten Kreuzes gibt es derzeit keine Umstandskleidung. Karin S. rennt jetzt eben im Sweatshirt durch die Ge

gend. „Das ist bestimmt keine Absicht gewesen mit der falschen Adresse“, sagt die Pressesprecherin des Sozialressorts, aber auch

Gedankenlosikeit sei schlimm. Karin S. ist erstmal durch mit den Behörden. „Daß die an Schwangeren sparen, hätte ich mir nicht

vorstellen können.“ Aber selbst wenn sich die Behörden gesetzestreu verhalten hätten — der Umgangston sei oft ziemlich unpassend. „Ich hatte einfach auf mehr Entgegenkommen gehofft — weil man ja in anderen Umständen ist und auch ein bißchen labil, jedenfalls nicht so durchsetzungsfähig wie sonst.“ Statt dessen, so berichtet sie, habe man sie oft treppauf treppab durch die Behörden geschickt. Ganz abgesehen von Bemerkungen wie der einer Sachbearbeiterin: „Ich mußte mich auch mit drei Kindern durchbeißen und verzichten, dann können Sie das doch auch.“

Schwieriger sei es geworden für schwangere Frauen, Hilfe vom Staat zu erhalten, sagen Christa Bruhns vom Frauenzentrum der Solidarischen Hilfe in der Neustadt und Kerstin Bonse von der evangelischen Familien- und Lebensberatung übereinstimmend. Zwar gibt es seit dem neuen Paragraphen 218 für Schwangere ab der 13. Woche Anspruch auf Mehrbedarf, doch alles andere werde oft nur zögerlich gewährt. Was zum „lebensnotwendigen Bedarf“ gehört, hänge von der Interpretation der SachbearbeiteInnen ab. Und dann die Sprüche mancher BearbeiterInnen: „In Ihrer Situation — das hätte doch nicht sein müssen!“ Manche Frauen, berichtet Kerstin Bonse, bekommen fast den Eindruck, als rieten ihnen die Behördenangestellten zu einer Abtreibung. Christine Holch