Der Dylan des Pamirgebirges

■ ...und andere Crossover-Phänomene beim „Voice of Asia“-Festival

Die westlichen Konsumenten haben ihre „Weltmusik“ gerne pur und so exotisch wie möglich. Aber in den Herstellungsländern hat das Publikum meist ganz andere Vorlieben: Dort sind jetzt Rockgitarren, Synthesisersounds und Dance-Grooves genauso neu und hip wie für uns Obertonstimmen oder tibetanische Alphörner. Diesen Widerspruch hat die Bremer Konzertagentur Rainbow ganz einfach aufgehoben, indem sie die Publikumslieblinge des alljährlich in Alma Ata, der Hauptstadt von Kasachstan, stattfindenden Festivals für die populäre Musik Asiens auf eine Tournee durch deutsche Konzertsäle schickte. Die Mischung von westlichen, modernen Klängen mit den traditionellen Musikformen machte den dann auch Reiz dieses Konzertabends im Bremer Schlachthof aus.

Der erste Auftritt war allerdings noch streng folkloristisch: Die neun Musiker und zwei Tänzerinnen der Gruppe Kazyna aus Süd-Kasachstan traten in Trachten auf und spielten ausschließlich auf alten kasachischen Instrumenten eigene Versionen von Mandoline, Fiedel und Handharmonika. Ein wenig museal wirkte der Auftritt schon, auch wenn die durchweg jungen Musiker die Vergangenheit sehr lebendig und beschwingt heraufbeschworen.

Karakum, die als populärste Band der turkmenischen Republik gilt, entpuppte sich als kompetente, sehr professionelle Rockband mit einer großen Palette von Klangklischees, die von den Gitarrenriffs der Doors bis zu den schmachtenden Synthesizern eines Dieter Bohlen reicht. Die Kompositionen und vor allem der Gesang von Kerim Kurbanaliev basieren dagegen auf traditionellen Volksliedern, und die Reibung zwischen diesen beiden Polen gab dem Auftritt die Spannung.

Die gleiche Band begleitete dann (neben den modernen Instrumenten auch auf Tablas und Sitar) den Songwriter und Sänger Oleg Fesov, der mit der Klampfe in der Hand wie ein Bob Dylan aus dem Pamirgebirge wirkte. Seine weiche Stimme und die lyrischen, eleganten Kompositionen erinnerten dagegen ausgerechnet an den brasilianischen Musiker Caetano Veloso. Hier wurde Weltmusik im Quadrat gespielt.

Bei den bisherigen Auftritten schienen die einzelnen Elemente der Mischung von Orient und Okzident noch deutlich durch, aber die usbekische Sängerin Yulduz Usmanova spielte so souverän mit den Versatzstücken, daß aus Volksliedern und Rockrhythmen gespielt von traditionellen Instrumentalisten direkt neben einer Popband eine ganz eigene, mitreißende Musik entstand. Die „Queen der usbekischen Musik“ ist eine charismatische Sängerin, die alleine schon durch ihre Stimme und die energiegeladenen Bühnenpräsenz einen unverwechselbaren Stil hat. Mit ihrem Auftritt krönte ein Star als brillianteste „Voice of Asia“ dieses Festival. Willy Taub