Daimler baggert Berlin an

■ Spatenstich am Potsdamer Platz für Milliardenprojekt von Daimler Benz / Planung bleibt umstritten / Vier Jahre Bauzeit

Abriß und Aufbau. Als bühnenreife Inszenierung vollzog sich am gestrigen Nachmittag der „Erste Spatenstich“ des Bauvorhabens von DaimlerBenz am PotsdamerPlatz. Den zum Trümmerberg verwandelten Bellevue-Tower im Rücken, einen Daimler-Bagger vor sich, nahmen Manfred Gentz, Vorstandsmitglied des Automobilkonzerns, und Eberhard Diepgen, Regierender Bürgermeister, gemeinsam den ersten Erdaushub auf dem Baugelände am Potsdamer Platz vor. Im Baggerhäuschen sitzend und eine Schippe Dreck auf der Schaufel, signalisierten beide: „Die Erde ist angestochen.“

Noch immer angeschlagen von der Olympia-Schlappe, bezeichnete Diepgen den Spatenstich an der „Narbe des Kalten Krieges“ als zukunftsweisend für Berlin, das dort nun „seine Mitte und Zukunft“ neu zu gestalten beginne. Baufachmann Diepgen weiter: „Es entsteht eine auf die Umgebung abgestimmte Stadtlandschaft.“ Der Bebauungsplan gleiche einem „Gesamtkunstwerk“.

Auch Manfred Gentz stilisierte den Start des Bauvorhabens zum „Bekenntnis“ zur deutschen Hauptstadt und wertete es als Signal des Aufschwungs in Berlin. Gentz gab sich als Psychologe: „Wir demonstrieren Vertrauen in die Zukunft dieser Stadt.“ Er appellierte an die Bundesregierung, den Umzug von Bundestag und Regierung nicht weiter zu verzögern, damit der „bereits eingetretene Vertrauensschaden“ bei der Wirtschaft nicht weiter wachse.

Nach der Beseitigung der Bellevue-Trümmer wird mit den Erdarbeiten auf dem südlichen Teil des rund sechs Hektar großen Areals im Frühjahr 1994 begonnen. Die Aushubarbeiten werden, ähnlich wie bei der Baugrube der Friedrichstadtpassagen, bis unter den Grundwasserspiegel reichen. Als erstes Gebäude, so Gentz, errichtet der Konzern die „debis-Dienstleistungs-Zentrale“. Das Hochhaus am Landwehrkanal plant der italienische Architekt Renzo Piano, der im September 1992 den Realisierungswettbewerb für das gesamte Bauvorhaben mit 340.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche für sich entscheiden konnte.

Die weiteren Bauphasen sehen vor, daß ab 1994/95 der getreppte 80-Meter-Büroturm am Potsdamer Platz von Hans Kollhoff (Berlin) und Pianos benachbartes Hochhaus entstehen sollen. Wie Piano am Rande der Veranstaltung betonte, planen die Architekten Richard Rogers (London) und der Japaner Arata Isozaki entlang der alten Potsdamer Straße und der Linkstraße Büros und Wohnungen. Der Spanier Rafael Moneo schließlich entwarf ein Hotel, das an das Musical-Theater von Piano im Rücken der Staatsbibliothek anschließen soll. Mit der Fertigstellung des rund drei Millionen Mark teuren Gesamtprojekts rechnet Piano „nicht vor Ende 1998“.

Bis zum heutigen Tag zählt das Bauvorhaben von Daimler Benz zu den umstrittensten Planungen in Berlin nach dem Fall der Mauer, versuchte doch der Bauherr, mit politischer Einflußnahme, herrischen Nutzungsforderungen und überzogenen gestalterischen Ansprüchen den Planungsprozeß gegen die Interessen der Berliner Stadtentwicklung zu seinen Gunsten zu entscheiden. Die als Public- Private-Partnership angepriesene Zusammenarbeit blieb nichts als Etikette. Der unspektakuläre Siegerentwurf im Maßstab der historischen Stadtstruktur der Architekten Hilmer/Sattler erschien den Automobilgewaltigen zu wenig repräsentativ. Daimler kritisierte die Planung, Hilmer und Sattler sollten gar gezwungen werden, wesentliche Bestandteile des Entwurfs zu verändern. Auch der Transportweg der 17,6 Millionen Tonnen Erde zum „Gleisdreieck“ ruft Streit hervor. Nach den Vorstellungen des Senats und des Konzerns soll eine kreuzungsfreie Brücke über den Landwehrkanal zum Bau-Logistik-Zentrum führen. Während die Logistiker bereits mit dem Straßenbau begannen, stoppte Kreuzbergs Baustadträtin Erika Romberg einstweilen die Überfahrt. Der Bau müsse erst geprüft werden und sei zudem genehmigungspflichtig. Rolf Lautenschläger