■ Das Portrait: Recep Marasli
Der 37jährige Mann ist krank und gebrechlich. Der kurdische Schriftsteller und Verleger Recep Marasli wirkt wie ein alter Mann. Im Gefängnis, wo er über ein Jahrzehnt zugebracht hat, ist seine Gesundheit kaputtgemacht worden. Schon als 16jähriger Schüler wurde er zu 16 Monaten Haft verurteilt. Sein „Verbrechen“: Zur Zeit der Militärregierung hatte er auf Flugblättern gegen die Hinrichtung von Regimegegnern protestiert.
Im Gefängnis setzte er sich mit der kurdischen Frage auseinander. Und ergriff die Initiative: 1974 gründete Marasli gemeinsam mit Freunden den Komal-Verlag, der sich auf Kurdistan spezialisierte. Immer wieder brachte ihn das in Konflikt mit den Herrschenden. Nach dem Militärputsch 1980 verbrachte er neun Jahre in der berüchtigten Haftanstalt von Diyarbakir – eine Zeit der Folter und der Hungerstreiks. Recep Marasli hat im Gefängnis über das „Todesfasten“ reflektiert: „Die Bindung an deine eigenen Organe vermindert sich. Nachdem du ins Leben zurückgekehrt bist, siehst du deine Organe als Geschenk an. Du lebst sozusagen gratis.“ 1991 wurde Marasli aus der Haft entlassen.
Kurdischer Schriftsteller und Verleger Foto:ai
Doch die Mächtigen, die seine Gesundheit ruinierten, haben es nicht geschafft, den kritischen Geist zu zerstören. Recep Marasli kapitulierte nicht. Nach seiner Haftentlassung führte er den Verlag weiter. Deshalb rollt jetzt erneut eine Prozeßlawine gegen ihn. „Propaganda gegen die Unteilbarkeit von Staat und Nation“ nach dem Anti- Terror-Gesetz wirft ihm die Staatsanwaltschaft in mehreren Fällen vor. Jahrzehntelange Haftstrafen drohen, falls er verurteilt wird. Die Publikation eines Buches, in dem der Begriff „Kurdistan“ vorkommt, reicht den Staatsanwälten der Staatssicherheitsgerichte aus, um Anklage wegen „Propaganda für die Teilung der Türkischen Republik“ zu erheben. Ein weiterer Gefängnisaufenthalt kann für den kranken Recab Marasli lebensbedrohlich sein.
Vor wenigen Tagen hat das Staatssicherheitsgericht Istanbul Haftbefehl gegen Marasli ausgestellt. In einer Fernsehsendung hatte er die Kurdistan-Politik des türkischen Staates kritisiert. Prompt folgte der Prozeß, und beim letzten Gerichtstermin wurde in seiner Abwesenheit die Vorbeugehaft angeordnet. Ömer Erzeren
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