Chancen für Pakistans Benazir Bhutto steigen

■ Aber noch macht ihr Rivale Sharif den Anspruch auf Premierministeramt streitig

Karatschi/Islamabad (taz)

Drei Tage nach der Wahl für das Zentralparlament war Benazir Bhutto auch in den Wahlen für die Volkskammern in den Provinzen Pakistans erfolgreich. Damit dürften ihre Chancen stark gestiegen sein für die Ernennung als Premierministerin die nötige Mehrheit zu finden. Aber ähnlich wie in der Parlamentswahl vom 6. Oktober verfehlte Benazir Bhuttos Pakistan People's Party und ihr Allianzpartner, eine Fraktion der Muslim Liga, am Samstag im entscheidenden Punjab die absolute Mehrheit. Die Provinz Punjab ist die reichste und bevölkerungsstärkste des Landes. Beide Gruppierungen gewannen 112 Sitze und die PPP muß daher noch mindestens neun Unabhängige auf ihre Seite ziehen.

Doch der wieder unterlegene ehemalige Premierminister Nawaz Sharif, dessen Muslim Liga auf insgesamt 106 Sitze kam, wird alles daransetzen, an die Spitze der Provinzregierung in Lahore zu gelangen. Denn als Chefminister des Punjab kann er ein Gegengewicht zu Islamabad bilden. Dies wird Benazir Bhutto, die auch in ihrer Heimatprovinz Sindh die absolute Mehrheit (56 von 100 Sitzen) errang, zu verhindern suchen. Sharif brachte es trotz eines Wahlbündnisses mit der regionalen MQM (welche die Wahl vom 6. Oktober boykottiert hatte, siehe Reportage Seite 11) dort nur auf 35 Sitze.

In einer reifen Demokratie würde der Entscheid über die Übernahme der Macht nun der politischen Überzeugungskraft der Bewerber für das Amt des Regierungschefs gegenüber den gewählten Volksvertretern überlassen. Aber in Pakistan ist der Einsatz von harter Währung als nachhelfendes Argument so weit verbreitet, daß der Volkswille schließlich in sein Gegenteil verkehrt zu werden droht. In Islamabad wird daher spekuliert, daß die Armee einmal mehr aus dem Hintergrund ihren Einfluß spielen lassen könnte. Sie kann dabei zwischen zwei Szenarien wählen: Benazir Bhutto wird Premierministerin, und ihre Partei stellt in Sindh die Provinzregierung; Nawaz Sharifs Muslim Liga als zweitwichtigste politische Kraft im Land und als größte Partei im Punjab erhält diese Provinz zugesprochen. Diese „faire“ Lösung würde allerdings eine Wiederholung der Situation von 1988 heraufbeschwören, als sich Benazir in Islamabad und Nawaz Sharif in Lahore gegenseitig lahmlegten.

Damit erhält die zweite Option im Augenblick eine größere Realisierungschance: Nawaz Sharif muß sich mit der Rolle als Führer der Opposition abfinden, und Benazir Bhuttos Volkspartei erhält, als relative Siegerin, sowohl in Islamabad wie in den Provinzen Punjab und Sind die Siegestrophäen. Aber nach den Worten eines Fernsehkommentators wird in Pakistan „ein Sieg immer noch mit der Vernichtung des Gegners gleichgestellt“. Solange dies so ist, wird der Begriff der „konstruktiven Opposition“ in Pakistan ein Fremdwort bleiben. Bernard Imhasly