Um Himmels willen

■ Ein Laserkunstwerk auf dem Kongreßzentrum flunkert jetzt das Firmament voll / Eine Verwahrung

Wir wissen nicht Tag noch Stunde, aber es dauert nicht mehr lang, dann fährt der Würgeengel hernieder und macht alles paletti mitsamt dem Kongreßzentrum! So ergeht es den Frevlern. Oben auf dem Kongreßzentrum nämlich, auf seinem Dache fuchteln seit gestern grünliche Laserfinger im Nachthimmel herum! Im Firmament!

Rädelsführend im Hintergrund hat die Kulturbehörde, namentlich das Referat für „Kunst im Öffentlichen Raum“ gewirkt; es hat den hiesigen Künstler Wolfgang Zach zu seiner beweglichen Lichtskulptur angestiftet, und der Wirtschaftssenator hat auch noch Geld hergegeben: Allesamt verloren, alle dem Würgeengel verfallen.

Denn siehe: Der Himmel ist so gar kein „Öffentlicher Raum“, nein, im Gegenteil: die letzte Zuflucht davor. Der Himmel ist seit Jahrhunderttausenden der unumschränkte Privatbesitz des Menschen an sich. Zum Himmel schaut der Mensch empor in seiner Not, wenn er auf den Straßen und Plätzen und an den Hauswänden die zahllosen Wandbilder und Schrottskulpturen und zersägten Steinklötze und all die andere „Kunst im Öffentlichen Raum“ rein gar nicht mehr sehen kann; zum Himmel hebt sodann der Mensch sein Herz und findet Ruhe, nein: fand.

Weil sich selbst in der abgebrühtesten Künstlerseele noch ein Restchen Respekt hält vor der Macht der Finsternis, wird der Zauber wenigstens nicht die ganze Nacht währen. Nur eine halbe Stunde täglich wird ab dato der rasende Laserstrahl herumzinnobern, dafür aber alle Tage bis ans Ende der Zeit. Sieben Muster hat Wolfgang Zach in den Steuercomputer einprogrammiert; für jeden Wochentag eines, daß uns nicht langweilig wird vor solcher Hochtechnologie, wie gestern bei der Eröff

nung die Eröffnungsredner mehrfach betonten: Mit nur 15 Watt Lichtleistung kommt ein nadelfeiner Stahl grünen Lichts hervorgeschossen, zweihundert Mal in der Sekunde und nur eineinhalb Millimeterchen im Durchmesser; und ein hochverwickeltes Drehspiegelchensystem schleudert diesen einen Strahl so rasant herum, daß der träge Mensch genau sieht, wie sich das Licht zu Kegeln formt und zu allerhand Fächern, und baß ist ob des Wunders.

Mehrmals auch konnte man hören, der Künstler habe seine Schwenk- und Drehspiegel eigenhändig aufs Filigranste zusammengebastelt, weil so etwas Künstlerisches einmalig in deutschen Städten sei und die Technik also auf dem Markt noch gar nicht vorhanden.

Offenbar hat man vergessen, sich auf dem Markt

hierhin bitte

das Nachfoto

mit dme Bündel

Lichtstrahlen

(gehen nach oben auseinander!)

für Diskothekenzubehör umzutun, wo solches Nervzeug seit langen Jahren vorhanden ist und „Super 3-D Laser Dance System“ heißt oder so. Der Künstler hätte sich eine Menge Arbeit erspart, wenn schon nicht uns das Geld.

Wir aber, die wir schon lange das Vordringen der Kunst in die letzten ungestörten Winkel beklagen, die wir schon Bronzeziegen auf Ziegenmärkten erdulden und Opern in Falltürmen, wir sehen jetzt, wie man uns auch noch das geliebte Firmament vollflunkert, als könnten wir je mit Kunst verwechseln, was doch bloß eine doofe Lightshow ist, und wir sehen es mit einem kleinen Lächeln. Denn der Würgeengel tanzt nicht. Manfred Dworschak