ÖTV verliert Kopf und Füße

■ Mitgliederschwund und Dauerstreit der Führung: ÖTV kriegt ihre eigene Erneuerung nicht hin

Bei der Bremer ÖTV bröckelt es am Kopf und an den Füßen. Zum ersten Mal laufen der Gewerkschaft des Öffentlichen Dienstes die Mitglieder weg: um rund 400 ging deren Zahl seit Januar diesen Jahres zurück. Das entspricht einem Verlust von 1,8 Prozent. Bremen liegt damit deutlich über dem Bundestrend (minus ein Prozent). Da gleichzeitig auch die Zahl der Rentner und Teilzeitkräfte unter den ÖTV-Mitgliedern wächst, wird die Gewerkschaft deutlich geschwächt in die nächste Tarifauseinandersetzung gehen.

Doch nicht nur an der Basis, auch in der Führungsetage im Gewerkschafts-Haus kriselt es. Nur noch mit letzter Not konnte der Geschäftsführer des ÖTV-Kreisverbandes, Holger Aebker, aus der Schußlinie genommen werden. So mußten die in letzter Zeit gegen ihn erhobenen Vorwürfe, die von Unregelmäßigkeiten in der Abbrechnung der Streikkasse des letzten Jahres bis hin zur Belästigung von Mitarbeiterinnen in der Geschäftsstelle reichten, gewerkschaftsintern nicht aufgeklärt werden. „Holger Aebker ist seit dem 1.10. auf eigenen Wunsch in der ÖTV-Bezirksleitung tätig“, bestätigt deren Chef, Holger Wohlleben. Für Aebker sei eigens eine „zusätzliche Stelle für Stabsarbeit“ eingerichtet worden. Wohlleben: „Dort soll er, sozusagen als meine rechte Hand, Stabsarbeit machen.“

„Das Klima in der ÖTV- Zentrale war seit Monaten unerträglich“, berichten Kenner der Szene, „die eingefahrenen Seilschaften haben sich nur noch gegenseitig bekämpft, eine inhaltliche Diskussion hat überhaupt nicht mehr stattgefunden.“ Eskaliert war der Ärger zum ersten Mal, als der ÖTV-Führung im vergangenen Jahr der Streik im Öffentlichen Dienst außer Kontrolle geraten war. Durch starke Forderungen und Sprüche mobilisiert, fühlte sich die Gewerkschafts-Basis völlig überrumpelt, als ihre ÖTV-Führung plötzlich doch einen Tarifvertrag unterschrieb, gegen den sie zuvor immer polemisiert hatte. Die Folge: Auch in Bremen verweigerten die Gewerkschafter ihrer Führung in der Urabstimmung die Gefolgschaft. Frustrationen und Austritte waren die Folge.

Aufgearbeitet wurde dieses gewerkschaftliche Fiasko bislang nicht. Im Gegenteil: Statt einer offenen Diskussion hat sich die ÖTV-Führung immer weiter in ihre internen Streitereien verstrickt. Und selbst Bremens ÖTV-Chefin Gisela Hülsbergen hat inzwischen die Lust verloren: Sie möchte gerne Nachfolgerin von Ursel Kerstein als Leiterin der Frauen- Gleichstellungsstelle werden.

Doch selbst solch überdeutliche Signale führen inzwischen nicht etwa zu einer Öffnung der innergewerkschaftlichen Diskussion. Im Gegenteil: übrig bleiben nach inneren Rückzügen und formalen Austritten vor allem die harten Knochen. Und die verstehen unter Gewerkschaftspolitik noch immer vor allem Totalverweigerung.

Einen Eindruck davon lieferte gestern die Versammlung der Bremer Personalräte — in der übergroßen Mehrheit ÖTV-Mitglieder. Während in den Behörden inzwischen fast überall angefangen wird, über Wege zu einer modernen, bürgernäheren Verwaltung nachzudenken, wobei durchaus auch manche Idee aus der Senatskommission für das Personalwesen auf Zustimmung stößt, schaltete die Personalratsmehrheit gestern auf stur. Alle Vorschläge, die bisher zur Konkretisierung und Straffung des Bremer Personalvertretungsgesetzes mit seiner „Allzuständigkeit“ der Personalräte gemacht wurden, lehnte die Versammlung pauschal ab.

Die Meinung der gewählten Bürgerschaft ist ihr dabei ziemlich egal: „Die Personalräte fordern die Korrektur des Gesetzentwurfes im Sinne ihrer Vorstellungen und werden andernfalls gemeinsam mit den in ihnen vertretenen Gewerkschaften entschiedenen Widerstand leisten“, lautet der letzte Satz der Personalräte-Erklärung. Die Berücksichtigung abweichender Vorstellungen war halt noch nie die besondere Stärke von Gewerkschaften. Ase