Sanssouci
: Nachschlag

■ Feuerball: Ein Öko-Entwurf für das neue Tempodrom

Auf den ersten Blick erinnert das „Tempodrom 2000“, das Modell für einen Kulturbau, der die Nachfolge des Provisoriums im Tiergarten antreten soll, an einen rotierenden Energieball. In seinem Zentrum – der Kuppel – schwebt ein runder Solarkörper, gleich einer Sonne. Aus ihm wachsen stählerne Radialen wie Strahlen hinunter zur Erde. Zwischen sie sind Holzsegmente in Gestalt trapezförmiger Dachsegel gespannt. Den Zuschauerraum faßt eine ovale Ziegelwand, die an der Bühne, dem Schnittpunkt zwischen Innen- und natürlichem Außenraum, aufgeschlitzt wird. Die Bühne erscheint so als Membran im Wechsel der Räume, finden sich doch draußen, auf „Landschaftsterrassen“, weitere Zuschauerränge.

Die breiten Erdrücken rechts und links der im Halbrund angeordneten Zugänge fallen schräg nach allen Seiten ab und kündigen die Fortsetzung der Architektur unter der Erde an. Die „Vision für das Tempodrom“ der Architekten Joachim Eble und Jutta Kalepky assoziiert auf merkwürdige Weise den Gleichklang zwischen einem „organischen Klangkörper“ und den Inhalten sowie Funktionen einer Zirkus- und Musikwelt. Von der Bühne gehen Wellen und Einladungen zum Tanz aus, die sich in den unruhigen Architekturen spiegeln. Irgendwo findet das Spiel der Schwerelosigkeit dann wieder einen Haltepunkt, an dem der bauliche Rhythmus sich beruhigt.

Das neue Tempodrom ein Traum? Wohl kaum. Eher ein Modell für die nahe Zukunft. Die „Solarstation“ will ihre Energien aus dem runden „Sonnendach“ gewinnen, über aufgespannte Glassegel und begrünte Erdhügel das Klima des Innenraums regeln und mit Windmaschinen und Regenwassernutzung elementare Kräfte anzapfen. Sie bildet einen realisierbaren Entwurf für eine Spielstätte, der als Chiffre eigener Lust und Sparsamkeit zugleich daherkommt. Für das passive Energiekonzept der Einsparung von Ressourcen bilden im nördlichen Bereich Erdadern und transparente Dächer sogenannte Pufferzonen. Sie bieten Speichermasse ebenso wie die massive Wand des Klangkörpers. In den kälteren Jahreszeiten soll die Erwärmung der Außenluft durch Kollektoren erfolgen. Als Gegenbau für geschätzte 13 Millionen Mark rückt er ab von den Dimensionen energieverschlingender Gebäudesaurier wie dem ICC oder der Deutschlandhalle. „Das neue Tempodrom“, sagt Irene Moessinger auf der ersten Tempodrom-Konferenz, „soll ein total abgefahrenes Haus werden, das die Kräfte widerspiegelt, die es zum Leben bringen.“ Das klingt nach Taumel und Rotation.

Postskriptum: Bei der Vorstellung des Modells am Montag abend im kleinen Zelt des Tempodroms, wo das Projekt der Öffentlichkeit präsentiert wurde, nahmen sich die Senatoren Volker Hassemer (Stadtentwicklung und Umweltschutz) und sein Kollege Ulrich Roloff-Momin (Kultur) selbst in die Pflicht, sich für den gewünschten Standort 1995 im Treptower Park an der Spree stark zu machen. Rolf Lautenschläger