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■ Zur Maastricht-Entscheidung des VerfassungsgerichtsEin deutsches Urteil

Wie demokratisch die EG-Institutionen sind, interessiert das Bundesverfassungsgericht nicht. In seinem Urteil über den Maastrichter Vertrag hat es sich auf die Feststellung beschränkt, daß die demokratischen Organe der Bundesrepublik, namentlich der Bundestag, durch eine Aufgabenverlagerung nach Brüssel nicht „entleert“ werden. Damit werde auch das Demokratieprinzip nicht verletzt. Erst wenn die europäische Integration weiter voranschreite, müßten die EG-Institutionen so ausgebaut werden, daß in den Mitgliedsstaaten eine „lebendige Demokratie“ erhalten bleibt. Bundestag und Bundesrat müßten entscheiden, wieviele Hoheitsrechte sie der Europäischen Union überlassen wollen.

Die Europaabgeordneten der Grünen sind damit in ihrer Absicht klar gescheitert, via Bundesverfassungsgericht innerhalb der EG Nachverhandlungen zur Aufwertung des Europaparlaments durchzusetzen. Das Europaparlament bleibt nun, wie im Maastrichter Vertrag festgeschrieben, auf Entscheidungen über Randthemen beschränkt. Bundeskanzler Kohl kann sich demgegenüber freuen: Ausdrücklich bestätigte der Zweite Senat das Recht der Regierung, supranationale Verträge zu schließen. Daß das Karlsruher Ja zu Maastricht klarer als erwartet ausfiel, wird Kohl auf internationaler Bühne auf jeden Fall Applaus bescheren.

Implizit aber bedeutet das Urteil auch, daß für Entscheidungen auf der europäischen Ebene ein eigenes Parlament eigentlich gar nicht nötig ist.

Den Grünen bleibt als Trost, daß Kohl & Co. auch in ihren Europa-Entscheidungen der Kontrolle des Bundestages unterliegen. Jederzeit dürfen sie, wie alle Bürger dieses Landes, sich auch in Europa-Fragen erneut ans heimische Verfassungsgericht wenden.

Wer nun aber allzu gerne bereit war, mit Blick auf ein geeintes Europa Demokratiedefizite in Kauf zu nehmen und Maastricht für ein Bollwerk gegen den Nationalismus zu halten, hat keinen Grund, aufzuatmen. Nach den Ausführungen der Verfassungsrichter taugt der Vertrag dazu gerade nicht. Denn in ihren Ausführungen betonen sie vor allem den Erhalt nationaler Souveränitätsrechte: Deutschland könne den Maastricht-Vertrag jederzeit kündigen. Oder der EG den Geldhahn zudrehen. Die Währungsunion sei kein Automatismus; die D-Mark könne nur dann in der Ecu aufgehen, wenn diese den deutschen Währungsstabilitätsgesetzen nicht zuwiderlaufe.

Ökonomisch ist letzteres ein vernünftiger Hinweis. Politisch allerdings wird gerade der differenzierte Verweis auf alle Ausstiegsmöglichkeiten Deutschlands aus der Maastrichter Union jene beflügeln, die de Gaulles Begriff „Europa der Vaterländer“ als Hürde vor die Vereinigten Staaten von Europa setzen. Vor allen Dingen nämlich, betonen die Karlsruher Richter, bleiben wir Deutsche. Donata Riedel

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