Lange Debatte, schneller Tod

Nachverhandlungen zur Konvention für Artenschutz  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Jeden Tag stirbt auf der Erde eine Art aus. Aber die Industrienationen als Hauptverursacher dieses Desasters lassen sich viel Zeit, die Rio-Konvention über Artenvielfalt zu ratifizieren. So gab es denn im Vorfeld der Konferenz der 164 Unterzeichnerstaaten, die gestern in Genf begann, auch deutliche Kritik an dieser Haltung. Unter anderem bemängelten der World Wide Fund for Nature (WWF) und die entwicklungspolitische Organisation Swisseis das „schleppende Tempo“ der Industrieländer bei der Umsetzung der Konvention.

Einflüsse von Großkonzernen – insbesondere aus den Bereichen Chemie, Pharmazie und Nahrungsmittel – seien mit dafür verantwortlich, daß sich unter den 30 Staaten, die die Konvention bislang ratifiziert haben, zwar zahlreiche Pazifikinseln und Entwicklungsländer aus Tropenregionen befinden, nicht aber die USA, die zwölf EG-Staaten und Japan. Ein Sprecher der Konferenz gab sich gegenüber der taz allerdings zuversichtlich, daß die Industrieländer die Konvention bis zum 29. Dezember, dem Datum ihres Inkrafttretens, absegnen werden.

Ziel der Konvention ist es, die Zerstörung der biologischen Artenvielfalt zu stoppen. Bei der bis Freitag anberaumten Genfer Konferenz sollen noch wichtige Details und Ausführungsbestimmungen der Konvention beschlossen werden, über die auf der UNCED- Konferenz im Juni 1992 keine Einigung gelungen war.

Weiterhin heftig umstritten sind vor allem die Artikel über den Schutz geistigen Eigentums sowie über Patente auf Nutzpflanzen und andere genetische Ressourcen aus Ländern des Südens. Diese Länder haben inzwischen zwar die Forderung der Industriestaaten akzeptiert, wonach bereits existierende Genbanken nicht unter die Bestimmungen fallen sollen. Doch machen eine Reihe von Industriestaaten ihre Ratifikation der Konvention von weiteren Konzessionen der Länder des Südens abhängig.

Ein Vertreter des Westschweizer Kleinbauernverbandes verurteilte den „alleinigen Anspruch einiger weniger Großkonzerne auf das pflanzengenetische Welterbe“, die „fortschreitende und zunehmend unkontrollierbarere Privatisierung der Forschung in der Landwirtschaft“ sowie die „Anerkennung der Patentierbarkeit von Pflanzen und Tieren“. Eine WWF- Vertreterin kritisierte die Entscheidungen der Regierungen einer Reihe von Industrieländern zur grundsätzlichen Zulassung der Patentierung von genmanipulierten Lebewesen als einen „Verstoß gegen ethische und ökologische Kriterien“.

Umstritten ist außerdem, ob die Pharmaindustrie der nördlichen Industriestaaten künftig weiterhin tropische Gewächse zu Heilmitteln verarbeiten kann, ohne die Herkunftsländer an den Gewinnen zu beteiligen. Die Pharmafirmen verweigern bislang eine Gewinnbeteiligung mit dem Verweis auf ihre hohen Forschungskosten. Nach einer Studie des UNO-Umweltprogramms (UNEP) werden allein in den USA 31 Prozent der dort vertriebenen Heilmittel und Medikamente aus Pflanzen oder tierischen Stoffen gewonnen, die überwiegend aus tropischen Regionen stammen.

Nach Einschätzung des WWF könnte die Artenschutzkonvention, wenn sie auch von den Industrieländern ratifiziert würde, zum „bislang wirksamsten und effektivsten Umweltabkommen in der ganzen Welt werden“. Allerdings befürchtet die Naturschutzorganisation, daß die völlige Liberalisierung des Handels mit Patenten, die die Industriestaaten derzeit in der Uruguay-Verhandlungsrunde des Zoll- und Handelsabkommens Gatt durchzusetzen versuchen, den Intentionen der Artenschutzkonvention zuwiderlaufen wird.