: Beschäftigungspakt gegen die Rezession
Klingende Namen schmücken das SPD-Programm zur Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Finanzpolitik / Nur Lafontaine schoß quer und sorgte am Montag im Parteivorstand für Unmut ■ Aus Bonn Tissy Bruns
Gegenwind für Oskar Lafontaine: Seine Forderung nach einem langsameren Anstieg der Löhne und Renten im Osten wurde im SPD-Parteivorstand heftig attackiert. Das Gremium war am Montag zusammengekommen, um den wirtschaftspolitischen Leitantrag für den bevorstehenden SPD-Parteitag zu beraten. Diskutiert wurde indessen hauptsächlich über die umstrittenen Lafontaine-Thesen, die dieser in einem Zeitungsgespräch gemacht hatte und die im Antrag gar nicht enthalten sind.
Dabei waren es vor allem SPD- Politiker aus den neuen Bundesländern, die den SPD-Wirtschaftssprecher kritisierten. Parteivize Wolfgang Thierse und die brandenburgische Sozialministerin Regine Hildebrandt waren schon im Vorfeld der Tagung gegen Lafontaine aufgetreten. Auch der Sozialexperte und stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Rudolf Dreßler wandte sich gegen Lafontaine. In der gelegentlich aufgeheizten Debatte wurde klar, daß sich Lafontaine mit der Art seines Vorstoßes wieder einmal keine Freunde gemacht hat.
Der provokationsgeübte Parteivize will von seinen Vorstellungen jedoch nicht abrücken – und wie die Parteispitze darüber denkt, wurde im Grunde nicht eindeutig klar. Der Drei-Punkte-Beschluß, den der Parteivorstand neben dem Leitantrag verabschiedete, glättet die Wellen, indem er allen ein bißchen recht gibt. So wird unter Punkt eins ausdrücklich betont: „Ziel der SPD ist die Herstellung gleicher Lebensverhältnisse in Deutschland.“ Daß der Parteivorstand immerhin ein Körnchen Wahrheit in Lafontaines Vorstoß sieht, wird im letzten Satz jedoch auch deutlich. „Die Lohnentwicklung hat immer, in der ausschließlichen Verantwortung der Tarifparteien, Unterschiede nach Branchen und Regionen und die jeweilige Wirtschaftssituation – je nach Produktivitäts- und Preisentwicklung – berücksichtigt.“ Über eine differenzierte Angleichung müsse ernsthaft nachgedacht werden, gestand auch die energische Regine Hildebrandt zu. Parteichef Rudolf Scharping bedauerte zwar, daß „ein falscher Zungenschlag hereingekommen sei“, im übrigen sei es aber „eine ökonomische Banalität“, daß Lohnabschlüsse immer etwas mit Preisentwicklung und Produktivität zu tun hätten. Kein Grund, Oskar zu rüffeln.
Der „Antrag zur Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Finanzpolitik“ wurde als Beratungsgrundlage für den Parteitag im November verabschiedet. In dem Papier, für das sich die entsprechende Kommission unter Leitung von Lafontaine viel Zeit gelassen hatte, formuliert die SPD fünf Leitlinien. Gefordert wird erstens ein „nationaler Beschäftigungspakt gegen Rezession und Massenarbeitslosigkeit“. Leitlinie zwei ist die „ökologische und technologische Modernisierung der Wirtschaft“. Hier wiederholt die SPD ihre Forderung nach einer ökologischen Steuerreform. Die „Investitionsoffensive für mehr Arbeitsplätze“ schließt für die SPD auch eine Unternehmenssteuerreform ein, die die steuerlichen Anreize für private Investitionen verbessert. Viertens will die SPD „mit sozialen Reformen den Faktor Arbeit entlasten“. Punkt fünf gilt der Sanierung der Staatsfinanzen. Die Parteilinke wies gestern darauf hin, daß vorliegende Änderungsanträge auf der Parteivorstandstagung aus Zeitgründen nicht mehr behandelt werden konnten.
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