Wichsvorlage oder ironischer Kommentar?

■ DAG wirft Angestelltenkammer vor, Pornovideos zu produzieren/ Beim Offenen Kanal kamen sie durch

Eigentlich hatte das Gespräch in geordneten Bahnen über die „Frauenpolitik der Angestelltenkammer“ kreisen sollen. Doch dann nahm die öffentliche Vollversammlung der Kammer am Dienstagabend einen ganz anderen Verlauf: Tolle Erklärungen, aber in der Praxis Sexismus — das warf die Angestelltengewerkschaft (DAG) ihrer Kammer vor. Zum Beleg führte sie einen Zusammenschnitt von sieben Videos vor, die im Mai während einer „Lust-und Spielnacht“ vorgeführt worden waren. Die Angestelltenkammer hatte damals die Erotik zum Schwerpunktthema erkoren. Peter Beyer, zuständig für Kulturveranstaltungen, hatte Bremer KünstlerInnen (drei Frauen, zwei Männer) um Beiträge zum Thema gebeten.

„Wichsvorlagen“, lautete das Urteil von Brigitte Dreyer (DAG) am Dienstag. „Widerlich“, pflichtete ihr Hartmut Frensel, Geschäftsführer der DAG, bei. Ein Video zeigte im StakkatotempoBilder von Genitalien, Mündern und Busen, unterlegt mit Stöhnen. Ein anderes zeigte Penisse mit Requisiten wie Zentimetermaß. „Ein sehr witziger und ironischer Kommentar zum Thema männliche Sexualität“, findet Peter Beyer. DAG- Mitglieder jedoch hätten diese Bilder als Aufruf zu sexueller Gewalt gewertet, erzählt er. Die Interpretation der DAG stieß jedoch auch auf der Vollversammlung auf vehementen Widerspruch. Maria Spieker von den Grünen soll die Diskussion lächerlich gefunden haben. Eine andere Besucherin analysierte die Videos als ironisch-kritischen Kommentar einer bestimmten Form männlicher Sexualität.

Zu sehen waren die Videos jedoch nicht nur in der Angestelltenkammer, sondern auch im Offenen Kanal. Dort bestreitet die Kammer jeden Monat ein einstündiges Kulturmagazin. Anrufe habe es nach der Sendung nicht gegeben, sagt Dirk Schwampe, Leiter des Offenen Kanals. Anrufe hagelt es aber sowieso vor allem nach einer Sendung von Exil- IranerInnen — daß sie deutsch sprechen sollen, ganz aus dem Kanal fliegen sollten, wird dann anonym gefordert.

Schwampe hat die Videos während der Sendung gesehen. Pornographisch, nein, die Videos müsse man unter dem Aspekt künstlerischer Freiheit betrachten. Und als Kunst sei der Beitrag ja auch angemeldet gewesen. Ohnehin werden die Beiträge vor der Sendung nicht angeschaut. Man sei schließlich ein Offener Kanal, wo die Bürger sagen können sollen, was sie sagen möchten, so Schwampe. Einschränkung: Es darf keine Werbung vorkommen, und die Beiträge dürfen die Rechtsordnung nicht verletzen — also nicht volksverhetzend sein, faschistische Symbole benutzen ... Vor der Sendung müssen die BürgerInnen unterschreiben, daß sie sich mit ihrem Beitrag an die Gesetze halten.

Am schönsten fände es Schwampe ja, wenn die DAG im Offenen Kanal eine Diskussion über die vermeintlichen Porno- Videos anfinge. Dann würde der Kanal seine Funktion erfüllen: Kommunikation herzustellen. Vielleicht kommen sie ja noch, hofft Schwampe. cis