piwik no script img

■ Press-SchlagEnthüllungen?

Nach Agentendramen giert die Öffentlichkeit. In der Gauck-Behörde schlummert eine Mine. Wenn keiner drauftritt, passiert nichts. Aber wehe wenn, dann knallt's.

Die einzige Bedingung: Dieser Jemand muß ein bißchen prominent sein. Nur dann ist der Gang in den Lesesaal des „Bundesbeauftragten für das Stasi-Unterlagengesetz“ so richtig medienwirksamer Sprengstoff.

Heike Drechsler wurde von einem Journalisten als Stasi-Mitarbeiterin geoutet. Torsten Krentz, 1989 Vizeweltmeister im Kajak-Einer, heute besser bekannt als Freund der verhinderten Sprinterin Katrin Krabbe, pinkelte eine Ex-Kollegin ans Bein – Kanu-Weltmeisterin Katrin Borchert. Als jene ihre 50seitige Akte durchschmökerte, wurde sie gewahr, daß ein als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) unter dem Decknamen „Torsten Stark“ geführter Mensch sie bespitzelt hatte. Torsten Stark ist Torsten Krenz, sagt Katrin Borchert, die bis 1990 für den SC Neubrandenburg startete und am Freitag die wahre Identität des Agenten erfahren haben will. Was sagt Torsten Krentz? Das gleiche wie Heike Drechsler. Gut möglich. Aber wenn, dann sei dies ohne sein Wissen geschehen.

So einfach ist das. Was ich nicht weiß, macht mich frei. Unschuldig, Euer Ehren! Oder doch schuldig? Wer will heute beweisen, ob Informationen zu jener Zeit, als das Denunziantentum zur Staatstugend erhoben und jeder Mensch mit aufrechter Gesinnung systematisch zum Paria stigmatisiert wurde, bewußt oder unbewußt weitergegeben wurden? Klar ist, daß jeder, der auch nur die leiseste Andeutung eines Auslandskontaktes machte, in einer Akte geführt wurde. Sprich (fast) jede SportlerIn. Vertrauen ist gut, Kontrolle besser. Lenins Aufforderung zum kollektiven Mißtrauen nahm in der Ex-DDR groteske Züge an. Der Beweis lagert in den Kellern der Gauck-Behörde: riesige Aktenberge – Durchmesser 180 Kilometer (!). Obwohl das meiste Material 1989 im Schlund des Reißwolfs verschwunden war. Akten anlegen – auch von und über Unbescholtene – also ein beliebtes Gesellschaftsspiel der bürokratophilen Stasi. „Ich bin wie jeder andere vor und nach jedem Wettkampf zu den Stasi-Leuten im Verein bestellt worden. Ich habe nichts unterschrieben, keine Kohle erhalten“, sagt Krentz. Gemeldet habe Torsten Krentz, daß sie 1988 in Seoul Kontakte zu Personen aus dem „nichtsozialistischen Ausland“ pflegte, sagt Katrin Borchert. Aufgrund dieses fürwahr schlimmen Fehlverhaltens habe sich ein Stasi- Mann zu der Bemerkung verstiegen, im Wiederholungsfall wolle man der Sportlerin den Rücktritt nahelegen. Wenn heute immer neue Namen enthüllt werden, besagt das per se nicht viel. Was sagt denn was? Ob jemand Schaden genommen hat. Katrin Borchert verneint.

Ende gut, alles gut? Wer weiß es besser? coh

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen