Prozente verteidigen!

Das Europäische Filmbüro feierte seinen fünften Geburtstag  ■ Von Julia Kossmann

Was tun, wenn in Zukunft das amerikanische Remake eines europäischen Films schneller in die 24.000 europäischen Kinos kommt, als das Original? Wer von Europas Produzenten, Filmemachern und Verleihern nicht beim Lamento stehenbleiben will, schließt sich den langsam solider werdenden Binnenorganisationen an. EFDO, das European Film Distribution Office, ist eine mögliche Gegenstrategie gegen die Dinos. Es hat seinen Sitz in Hamburg, wo vergangene Woche ein Treffen stattfand, bei dem sich Stars wie Peter Greenaway, Detlef Buck und Multifunktionär Kosslick, diverse Produzenten und Verleiher als unternehmungslustige, kompetente und risikofreundliche Gemeinschaft präsentierten, die den Kinogiganten jenseits des großen Teiches trotzig und verhältnismäßig erfolgreich die Stirn bietet. EFDO wurde 1988 als erstes Paneuropäisches Vertriebssystem in Hamburg als Verein gegründet. Beim Aufbau des von der europäischen Gemeinschaft finanzierten MEDIA-Programms, das sich um die Infrastruktur der Medienlandschaft in Europa bemüht, spielte es eine maßgebliche Rolle und verteilte in fünf Jahren 60 Millionen Mark für die Vertriebsförderung europäischer Filme, von denen die Erfolgreichsten wie beispielsweise „The Crying Game“ von Neil Jordan, „Il Ladro Di Bambini“ von Gianni Amelio oder Detlef Bucks „Wir können auch anders“ in diesen Tagen in drei Hamburger Kinos wiederaufgeführt wurden. 179 Filme brachte EFDO in fünf Jahren mittels Promotion-, Marketing und Kopienförderung an 800 Filmverleihe unters Volk. Die EFDO- Vertriebsförderung können nur Filme bekommen, deren Produktion weniger als sieben Millionen Mark gekostet hat. Außerdem zahlt EFDO nur, wenn ein Film in mindestens drei europäischen Ländern einen Verleih findet. Daß bei dieser Art der Förderung nicht nur Europudding herauskommen muß, sieht man an den Beispielen und auch am Resultat: 20 Prozent der Fördersumme flossen aus erfolreichen Produktionen aufs EFDO-Konto zurück. Etwa 500 Kinofilme, von denen nur ein Bruchteil den Sprung bis ins Kino schafft, werden pro Jahr in Europa produziert – etwa dieselbe Menge wie in den USA, die allerdings mit ihren Produktionen die europäischen Kinos zu 90 Prozent auslasten.

Weil zu einer Leistungsschau auch frische Produkte gehören, gab es zum EFDO-Geburtstag auch Premieren, unter anderem von Derek Jarmans „Wittgenstein“, Stephen Frears „Snappers“ und Peter Greenaways „The Baby of Macon“; 3.500 BesucherInnen waren gekommen.

Das EFDO-Spektakel, das die Hamburger Kultur- und Wirtschaftsbehörde aus Mitteln des von ihnen verbaselten Hamburger Filmfests 1993 mit 270.000 Mark finanzierte, wartete nicht nur mit Filmschauen, sondern auch mit einem Script-Day und einer zweitägigen Drehbuch-Konferenz auf. Mit gutem Grund: wieder und wieder wird als eine Krankheit des europäischen Films die Schwäche seiner Vorlagen gehandelt; gute Drehbücher sind Mangelware, zu viele Gremien verderben den Brei, und es fehlt an Profis.

Renée Goddard, Generalsekretärin des European Script Fund (eines weiteren MEDIA-Projektes), konstatierte deshalb, daß die von vielen eingeklagte stärkere Förderung des Abspiels allein wenig nütze, wenn nicht gleichzeitig auch die Produktion, sprich das Drehbuch, so gefördert wird, daß sich professionelle Strukturen etablieren können. Eine unmittelbar sich abzeichnende „Wirtschaftlichkeit“ des Rohproduktes Drehbuch sei schlechterdings ausgeschlossen. Renée Goddard stellte in diesem Zusammenhang die neue Fördermaßnahme „Incentive Funding“ vor, die sich an europäische Produktionsfirmen und Studios richtet, die bereit sind, mindestens drei Projekte gleichzeitig zu entwickeln. Diese Anschubförderung soll Produzenten die Möglichkeit geben, die erhaltene Förderung auf ein zweites Projekt zu verwenden, wenn das zuerst geförderte sich als nicht zugkräftig genug erweist – ein Novum in der bisherigen Förderstruktur, die oft dazu führt, daß Produzenten auf sinkende Schiffe setzen, um nur ja die erhaltenen Gelder nicht zurückzahlen zu müssen. Daß der sogenannte „Europudding“ keine Chance birgt, die Filmindustrie auf die Beine zu bringen, mußte in diesen Tagen nicht erst herausgefunden werden. Und wenn ein irischer Film Förderung aus England erhält, so bleibt er doch ein irisches Produkt mit Lokalkolorit, das sich nicht gezwungenermaßen an einen ominösen „europäischen“ Geschmack anzubiedern braucht.

Für eine engere Zusammenarbeit der europäischen und der amerikanischen Filmindustrie – in Zeiten der Prä-Gatt-Aufrüstung ein heikler Vorschlag – sprach sich der berühmteste EFDO-Gast, Lord Richard Attenborough, der Chef des European Script Funds, aus. Sein neuestes Regiewerk „Chaplin“ harrt allerdings noch seines Kinostarts in Deutschland, und für eine EFDO-Förderung war das Werk zu teuer. Der Lord wurde anläßlich seines Hamburg- Besuchs nebenbei noch für seine Rolle in „Jurassic Park“, der nunmehr „ET“ als erfolgreichster Film aller Zeiten abgelöst hat, mit der Goldenen Leinwand mit Stern geehrt. Die europäisch-amerikanische Zusammenarbeit zeichnete sich allerdings bei seinem Besuch dadurch aus, daß die kleine EFDO seinen ganzen Ausflug finanzierte, während der amerikanische Film- Konzern UIP, der den Dino-Knüller vertreibt, keinen Pfennig dazuzahlte.