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■ DaumenkinoEraserhead

Der arme Henry Foto: Verleih

Sie wissen wahrscheinlich längst, daß es sich bei diesem Film um einen „Midnight Classic“ handelt, einen Kultfilm jener sinistren Gesellen, die nachts durch die Straßen streifen, keine Ruhe finden und deshalb düstere Kinohöhlen aufsuchen. David Lynchs vierter Film (deutsche Erstaufführung 1978) öffnet unbescheiden, wie es sich für einen bösen Traum gebührt, im Weltall. Gleich sehen wir das arme Gesicht des armen Henry als Überblendung über hübsch funkelnden Sternen und einem Planeten, der ein bißchen was mit einer Bulette zu tun hat. Während aus dem Hintergrund ein Lärm losbricht, der einem Eisenwerk alle Ehre machen würde, segelt die Kamera höchst graziös davon, durchaus ebenbürtig übrigens der Kubrickschen Weltraumodysse.

Unter Henry haben es sich derweilen ein wurmartiger Embryo, ein Polyp und eine Spermazelle gemütlich gemacht – womit Lynchs Reich komplett ist: die Sterne und der Glibber, das Erhabene und das vor sich hinmüffelnde Profane treffen sich wie die Kotze in „Wild at Heart“ mit den Gefühlen süßester Teenage Love oder wie das abgeschnittene Ohr in „Blue Velvet“ mit den Ameisen, die froh auf ihm herumkrauchen. „Ich bin besessen von Oberflächen“, hat Lynch einst bekannt. „Wir sind von so viel Vinyl umgeben, daß ich immer nach was anderem auf der Suche bin. Deshalb habe ich mir öfters eine Maus besorgt, sie rasiert. Das fühlte sich toll an.“

Um es kurz zu machen: Henry stolpert aus seinem düsteren Appartment hinaus ins grau-schwarze Industrie- Brachland, ein schneidendes, sirrendes Geräusch begleitet seinen paranoiden Schulterblick. Über kurz oder lang begegnet er dem Star dieses Films, seinem Baby („Mom, they're still not sure it is a baby“). Dieses Baby, ein kalbsfötus-ähnliches, vor sich hinsuppendes, quiekendes Ding, gehört in die Galerie der Mitternachtsikonen neben Freddy Kruger und das „Ding aus einer anderen Welt“. Niemand weiß, wie diesem Baby zu helfen ist, und so verfault es vor sich hin und die Welt mit ihm.

Es folgt: eine kleine Dame im Radiator, die ein hübsches Liedl singt („In heaven, everything is fine; you've got your good things, and I've got mi- ine“). Kleine Würmchen fallen vom Himmel, auf die sie kichernd tritt. Als Henry sich dazustellen will, fällt ihm allerdings der Kopf ab, aus dem später ein Radiergummi gefertigt wird. So hat alles schließlich noch sein Gutes. mn

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