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„Nichts mit Tiefgang und so...“

Sydney Pollack verfilmte John Grishams „Die Firma“  ■ Von Karl Wegmann

Es war Anfang 1975, als Robert Redford beschloß, sein Konto mal wieder etwas aufzufüllen. Aus nackter Geldgier machte er seinem Freund Sydney Pollack den Bestseller „Die sechs Tage des Kondor“ von James Grady schmackhaft: „Warte mal, Syd! Ich hab da gerade ne Sache gelesen, mit der wir sofort loslegen könnten. Das Ding ist große Scheiße, aber genau das, wovon wir immer gesprochen haben, nichts mit Tiefgang und so. Ein Popcornfilm, ein Thriller!“ Pollack biß an.

Der kommerzielle Film kann die zeitliche Spanne eines Romans nicht reproduzieren. Ein Drehbuch hat durchschnittlich 125 bis 150 Seiten, ein Roman meist mehr als das Doppelte. Der Film muß sich also auf eine kürzere Erzählung beschränken, hat aber andererseits visuelle Möglichkeiten, die der Roman nicht hat. Was durch Beschreibung nicht vermittelt werden kann, läßt sich ins Bild übertragen. Regisseur Pollack wußte das alles natürlich. So wurden aus den sechs Tagen des Romans in seinem Film „Die drei Tage des Kondor“. Ein dichter, temporeicher Thriller, in dem der CIA-Mitarbeiter Joe Turner (Robert Redford) von seinen eigenen Leuten gejagt wird. Jetzt hat Sydney Pollack wieder einen Bestseller adaptiert, „Die Firma“ von John Grisham, doch diesmal hat er versucht, den Knapp-600-Seiten-Schmöker Zeile für Zeile, Detail für Detail und, schlimmer noch, sämtliche Dialoge in gut zweieinhalb Stunden auf die Leinwand zu übertragen. Das konnte nicht gutgehen.

John Grisham (38) ist zur Zeit der Gott der Bestsellerlisten und damit der angebetete Liebling Hollywoods. Der Autor, Sohn eines kleinen Bauunternehmers, arbeitete einst als Anwalt und als Abgeordneter im Parlament des Staates Mississippi. „Nur als Hobby und eigentlich zum eigenen Spaß“ begann er zu schreiben – und wurde Multimillionär. In nur zwei Jahren haben sich seine vier Titel („Die Jury“, „Die Firma“, „Die Akte“, „The Client“) über 25 Millionen mal verkauft und Grisham damit zum derzeit erfolgreichsten Thriller-Autor der Welt gemacht. Für seine nächsten drei Bücher kassierte er kürzlich einen Vorschuß von sechs Millionen Dollar. Doch damit nicht genug des Geldsegens: Die Rechte an „Die Firma“ kaufte Paramount für 600.000 Dollar, noch ehe der Roman überhaupt in den US-Buchhandlungen stand. „Die Akte“ (die gerade von Alan J. Pakula mit Julia Roberts in der Hauptrolle verfilmt wird) verscherbelte Grishams Agent für 1,28 Millionen an Warner. Das gleiche Studio zahlte für „The Client“ (Joel Schumacher filmt mit Susan Sarandon) schon 2,5 Millionen. Für Grishams neuen, noch zu schreibenden Thriller sicherte sich Universal die Rechte: für 3,75 Millionen Dollar.

Krimis und Thriller gibt es wie Sand am Meer. Allein in Deutschland erscheinen jeden Monat ungefähr 50 neue Titel. Um aber in die Bestsellerlisten aufzusteigen, braucht man etwas Neues, vorher noch nicht Dagewesenes. In den 80er Jahren hatte jeder Autor dieses Genres mindestens einen Serien-Killer im Programm, und es war die Zeit des Tom Clancy („Jagd auf Roter Oktober“) und seiner Hightech-Thriller. In den Neunzigern haben meuchelnde Psycho- und Soziopathen stark an Marktwert verloren, aber die Mafia und überhaupt die ganze organisierte Weiße-Kragen-Kriminalität sind ein ganzer heißer Tip. John Grisham lag 1991 mit „The Firm“ goldrichtig. Die Geschichte erzählt von einem jungen Anwalt, der von einer Kanzlei mit viel Geld und Geschenken angeworben wird. Als er dahinterkommt, daß seine Firma nichts anderes als eine gigantische Geldwaschanlage des Mob ist, bricht für ihn die schöne heile Yuppie-Welt zusammen. Er will aussteigen, doch das scheint unmöglich. Einige seiner Kollegen, die es versuchten, kamen bei „Unfällen“ ums Leben. Grisham erzählt ohne Schnörkel, rasant und spannend. „Für das Tempo einer Geschichte muß man die Charaktere der Figuren opfern“, sagt er, „mit ausführlichen Beschreibungen kann ich mich nicht aufhalten. Es ist die Handlung, die den Thriller vorantreibt, es sind nicht die Menschen.“ Ein Held ohne Tiefgang? Da war Tom Cruise nicht die schlechteste Wahl. Doch das Aushängeschild der Scientology übertreibt und spielt noch lahmer als sonst.

Cruise ist eigentlich nur zu ertragen, wenn er im Zweiergespann mit einem Schauspieler an seiner Seite auftritt, wie mit Paul Newman in „Die Farbe des Geldes“, mit Dustin Hoffman in „Rain Man“ oder mit Jack Nicholsen in „Eine Frage der Ehre“. Läßt man ihn alleine die Hauptlast der Darstellung tragen, tritt sein flaches Spiel deutlich zutage. In „Die Firma“, immerhin eine Einer-gegen-alle-Story, ist der Leinwand- Beau sichtbar überfordert.

Doch Cruise trifft wohl nicht allein die Schuld, daß der Film so ein flauer, lauwarmer Abklatsch von Grishams „pageturner“ wurde. Sydney Pollack brauchte nach seinem „Havanna“-Desaster vor drei Jahren dringend wieder einen Hit. Da kam das Angebot, den Mega- Seller zu adaptieren, gerade recht. Unter Erfolgszwang (Bestseller- Verfilmungen können arg in die Hose gehen, siehe Brian De Palmas „Fegefeuer der Eitelkeiten“) ging er die ganze Sache zu ängstlich an und schuf nichts eigenes, sondern übertrug einfach nur. Herausgekommen bei dieser Auftragsarbeit ist der kalkulierte Kassenhit. Gesamteinspielergebnis bis jetzt: 150 Millionen Dollar. Business as usual! Popcornfilme, „nichts mit Tiefgang und so“, sind immer gefragt.

„Die Firma“ von Sydney Pollack. Mit: Tom Cruise, Gene Hackman, Holly Hunter, Ed Harris u.a.; USA 1993, 154 Min.

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