Töpfer will Plutonium aus Hanau

Atomrechtliche Weisung aus Bonn: Joschka Fischer muß Revision einlegen / Verwaltungsgericht hatte Weiterbauverbot gegen Atomfabrik verhängt  ■ Aus Frankfurt Klaus-Peter Klingelschmitt

Bundesumweltminister Töpfer mischt sich wieder in den Streit um die Zukunft der Verarbeitung von Plutonium und Uran (MOX) in Hanau ein. Gestern schickte er eine atomrechtliche Weisung an den hessischen Umweltminister Joschka Fischer: Dieser soll gegen die Urteile des Verwaltungsgerichtshofs Kassel vom Juli 1993 Revision einlegen.

Der Verwaltungsgerichtshof in Kassel hatte im Sommer der Klage der knapp sechsjährigen Clara Diez gegen die neue Siemens-Plutoniumschmiede in Hanau stattgegeben und ein Weiterbauverbot verhängt. Beklagte Partei war das Land Hessen. Denn der hessische Umweltminister, Fischers Vorgänger Karlheinz Weimar (CDU), hatte die diversen, vom Kasseler Gericht teilweise für „nichtig“ erklärten Teilgenehmigungen für die Brennelementefabrik erteilt. Der Grüne Fischer hatte das Urteil euphorisch begrüßt. „Hessen wird die Bundesweisung vollziehen.“ Mit diesem knappen Statement reagierte der Landesumweltminister gestern auf die am Dienstag vom Bundeskabinett beschlossene „verfahrenslenkende Weisung“.

Die Töpfersche Weisung zwingt Fischer auch, bereits erteilte Genehmigungen in Sachen MOX- Brennelementefabrik umzusetzen. Das Gericht hatte nämlich nicht alle Teilgenehmigungen aus CDU/ FDP-Landesregierungszeiten für nichtig erklärt. Darüber hinaus dürfe Fischer alle Entscheidungen über angeordnete Sofortvollzüge für die Hanauer Brennelementefabriken „nur nach vorheriger Zustimmung der Bundesaufsicht“ treffen. Nach Auffassung der Bundesaufsicht habe das Urteil von Kassel Bundesrecht verletzt und bedürfe deshalb der Korrektur durch das Bundesverwaltungsgericht in Berlin.

Nur Wochen nach dem Urteil von Kassel hatte die Atomindustrie mit einer Verlagerung der MOX-Produktion nach Frankreich gedroht. Denn nach dem Richterspruch war erst einmal in Hanau nicht an einen Weiterbau der neuen Plutoniumfabrik zu denken, und die Altanlage war nach diversen Störfällen von Fischer schon vor Jahresfrist stillgelegt worden. Daß die Abwanderungsdrohung der Atomindustrie in Bonn die Alarmglocken hat schrillen lassen, legte Töpfer gestern in Bonn offen. Die ausstiegsorientierte hessische Kernenergiepolitik, so der Bundesumweltminister, setze 1.500 hochqualifizierte Arbeitsplätze aufs Spiel und habe dem Wirtschaftsstandort Deutschland schweren Schaden zugefügt: „Erneut droht der Verlust einer Hochtechnologie und eine Verlagerung ins Ausland.“

Nur Tage vor dem Kabinettsbeschluß der Bundesregierung hatten einige hundert Beschäftigte der Hanauer Brennelementewerke in Bonn für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze demonstriert. Auf die von der hessischen Landesregierung wiederholt angebotenen „Konversionsgespräche“ hat sich die Firma Siemens bislang nicht eingelassen — und auch nicht der Betriebsrat.

Die Grünen fühlen sich nun darin bestätigt, daß ihr Ausstieg aus den sogenannten Energiekonsensgesprächen in Bonn die richtige Entscheidung gewesen war. Töpfer habe mit seiner Revisionsanweisung erneut den Büttel für die angeschlagene Plutoniumwirtschaft gespielt. Wenn für Töpfer noch nicht einmal die alles Leben bedrohende Plutoniumwirtschaft zur Disposition stehe, seien Gespräche über einen Ausstieg aus der Atomwirtschaft „reine Augenauswischerei“, sagte die Sprecherin der Landtagsfraktion, Elke Cezanne.