„Wir müssen irgendwie vertrauen“

■ Die Statt-Partei kann sich vor Sympathisanten kaum retten

Immer noch gehen täglich Dutzende von Briefen im Hamburger Büro der Wählervereinigung Statt Partei ein – von empörten Bürgern, die über Selbstbedienung, Filz und Bürgerferne in der Politik wettern und ähnliche Protest-Bewegungen in anderen Bundesländern gründen wollen. Freie Wählergemeinschaften offerieren dem politischen Senkrechtstarter, der auf Anhieb den Sprung ins Landesparlament schaffte, Zusammenarbeit oder den „Austausch von Strategiepapieren“. Mindestens 500 Briefe, mehr oder weniger ernsthaft, vor allem aus Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen, hat Statt Partei-Chef Markus Wegner gezählt. Die Interessenten sind meist gutsituiert: Anwälte, Steuerberater, Ärzte, kleine und mittelständische Unternehmer, Handwerksmeister.

Da bietet ein Rechtsanwalt ein „großzügiges Büro in repräsentativer Lage, ein Grundkapital von 25.000 Mark und meine Person mit Beziehungen“ zur Gründung eines Landesverbandes der Statt Partei in Baden-Württemberg an. Ein Frührentner aus Nordrhein-Westfalen liefert gleich Zeitplan und Zeitungstext zur Gründung eines Ablegers in Nordrhein-Westfalen mit. Eine „Bürgerbewegung Rügen“ wittert eine Verbündete, um der „linken Unterwanderung in den Neubundesländern“ entgegenzutreten. Auch die Braunschweiger „Deutsche Nationale Arbeiter- und Volkspartei“ , die Deutschland wieder zur Monarchie machen will, fühlt offenbar eine Geistesverwandtschaft.

Die Entscheidung, die Wählervereinigung bundesweit auszudehnen, soll bei einer Mitgliederversammlung im November fallen – auswärtigen Fans bleibt derzeit nur die Fördermitgliedschaft. Doch mit dem Startschuß für eine bundesweite Organisation hat Wegner auch die Qual der Wahl. Wer verbirgt sich hinter den Anhängern? Auch Ex-Republikaner und Anhänger der Deutschen Sozialen Union wollten bereits Mitglied werden, wie der ehemalige Leipziger DSU-Kreisvorsitzende Jürgen Müller, der auf einem Flugblatt für ein „ausländerfreies Markkleeberg“ warb.

Angst vor rechter Unterwanderung hat Wegner dennoch nicht. Der Antrag eines früheren Münchner Republikaner-Politikers sei erst einmal zurückgestellt werden. „Wir versuchen zu recherchieren, ziehen Archive zu Rate und laden auch persönlich ein, um die Interessenten kennenzulernen“, sagt Wegner. Letztlich räumt der 40jährige aber ein: „Wir müssen irgendwie vertrauen.“ Dennoch denkt Wegner bereits an die Zukunft: „Mein Blick geht auf 1998 – das wird die Bundestagswahl des Jahrhunderts.“

Gudrun Dometeit/dpa