„Muß das Täschchen immer mit?“

■ Die „ältere Generation“ durfte dem Innensenator von ihren Kriminalitätsängsten erzählen

Man muß ja auch nicht das Handtäschchen dermaßen dermonstrativ am Arm schlenkern! Und überhaupt: Muß denn das Täschchen unbedingt mit zum Spaziergang? Solcherart fragte am Mittwoch Innensenator Friedrich van Nispen rund 100 SeniorInnen. Die hatten sich auf Einladung der FDP-Bürgerschaftsfraktion zu einer Anhörung zum Thema „Innere Sicherheit — Sorgen der älteren Generation“ versammelt. Selbst wenn er dabei sei, so van Nispen weiter, klemme seine Frau die Tasche unter den Arm und trage sie vor dem Bauch.

Zu Beginn der Veranstaltung hatte Dora Knübel, Seniorenbeauftragte der Bürgerschaft, von der zunehmenden Angst unter alten Menschen berichtet. Sicher, gab der Senator zu, die Kriminalität habe zugenommen, die Bedrohungsängste aber noch viel mehr. Geschürt würden sie nicht zuletzt durch Parteien, die das Thema instrumentalisierten. „Mir graust, wenn ich an die bevorstehenden drei Landtagswahlen und die Europawahl denke.“ Denn eigentlich stehe Bremen gar nicht schlecht da: Während die Kriminalität im ersten Halbjahr '93 bundesweit um 7,2 Prozent gestiegen sei, sei sie in Bremen um 6 Prozent zurückgegangen. — „ein ziemlich einmaliger Vorgang“. Laufend werde er jetzt eingeladen, um das Geheimnis dieses Erfolgs zu erklären.

Nun mußte der Senator einfach seine Arbeit loben: Habe er doch 150 Bezirksbeamte zu je drei Stunden Fußstreife pro Tag verdonnert — schließlich gehe von einer Uniform doch eine abschreckende Wirkung aus. Und weil 29 Prozent aller Straftaten von Drogenabhängigen begangen werden, habe man das ressortübergreifende Programm zur Bekämpfung der Drogenkriminalität laufen.

Was fuhr der Senator nicht alles auf, um die Ängste der vorwiegend weiblichen BesucherInnen ein wenig zu zerstreuen: Daß die Über-60-Jährigen gar nicht überproportional häufig Opfer von Gewalttaten würden, daß Frauen nicht öfter als Männer Opfer von Straftaten seien. Doch da erntete er Protest: Schließlich gingen die SeniorInnen ja auch viel seltener auf die Straße — aus Angst.

Überhaupt hatten die älteren Damen und Herren, als sie denn endlich zu Wort kamen, eine Menge Vorschläge: Warum nicht gelegentlich auch durch die Seitenstraßen einen Sammelbus fahren lassen — zu den Haltestellen sei es nämlich oft verdammt weit. Außerdem sollten die TaxifahrerInnen nochmal von höchster Stelle auf ihre Beförderungspflicht hingewiesen werden — damit sie die alten Leute auch auf kurzen Strecken fahren. Allerdings griffen sie sich auch an die eigene Nase: Wieso muß man denn viel Geld bei der Bank abheben und damit durch die Stadt spazieren? Appelle aber ergingen auch an die „jüngere Generation“: Die könnten nach Veranstaltungen rumfragen, wer nach Hause gefahren werden möchte.

Zur ersten Selbsthilfe empfahl van Nispen die kriminalpolizeiliche Beratungsstelle: „Die Herren dort sind von mir vergattert, Ihre Sorgen ernstzunehmen und Sie nicht einfach bürokratisch abzufertigen.“ Dort gibt es dann von den BeamtInnen Tips wie diesen: Die Handtasche nicht zur Straßen-oder Radwegseite hin tragen. Und im Fall des Falles nicht um jeden Preis an ihr festhalten! cis