Avus immer voller, Wald immer lichter

■ Umweltsenator stellt Waldzustandsbericht vor / Autoabgase machen Wäldern mehr zu schaffen denn je

Dem Berliner Wald geht es wesentlich schlechter als im Vorjahr. Der Grunewald ist sogar so krank wie noch nie seit Beginn der Schadenserhebungen im Jahre 1983. Dies ist das Ergebnis der diesjährigen „Waldzustandserhebung“, die Umweltsenator Volker Hassemer (CDU) gestern vor Ort der Öffentlichkeit vorstellte. Erstmals wurden auch mehr tote Bäume im Untersuchungsgebiet gezählt, als die natürliche Absterberate hätte erwarten lassen.

Während nach der letztjährigen Erhebung noch knapp ein Achtel der Bäume mittelstark oder stark geschädigt waren, ist der Anteil inzwischen auf ein Viertel des gesamten Baumbestandes gestiegen. Für die Forstfachleute ist die ungewöhnlich starke Entlaubung der Bäume – eine Reaktion auf das extrem heiße und trockene Frühjahr und den Sommer im vergangenen Jahr – ein „alarmierendes Warnsignal“ in Hinblick auf die „hohe latente Schwächung“ des Waldbestandes durch die Luftverschmutzung. Vor allem die Eichen sind betroffen: Statt der im vergangenen Jahr festgestellten 20 Prozent gelten jetzt 51 Prozent als schwer geschädigt.

Hauptursache sind Ozon- und Stickoxidbelastung

Offensichtlich reagiere die Eiche, von der der Grunewald den höchsten Anteil habe, empfindlicher gegen Sommersmog als die Kiefer, sagte gestern der Waldschadensbeauftragte Elmar Kilz. Im Grunewald sind 34 Prozent der Bäume schwer geschädigt. Ursache der überproportional zugenommenen Eichenschäden seien die Abgase, die durch den stark gestiegenen automobilen Pendlerverkehr aus Richtung Potsdam auf der Avus zugenommen haben. Im Gegensatz zu früher bildeten Schadstoffe inzwischen schneller für den Wald gesundheitsgefährdende Verbindungen. Deshalb sei der Zusammenhang zwischen Avus und den Schäden im Grunewald deutlicher als noch vor wenigen Jahren. Baumexperte Kilz warnte darüber hinaus: „Auch die junge Eiche, unser Nachwuchs, mit dem wir eigentlich 200 Jahre leben wollten, ist stark geschädigt.“

Bei den Kiefern sieht es etwas besser aus. Stark geschädigte oder gar schon abgestorbene Exemplare fanden die Forstleute nicht. Der Anteil der „mittelstark geschädigten“ Nadelbäume stieg von 12 auf 20 Prozent. Vom gesamten Waldbestand weisen nur noch 31 Prozent keine sichtbaren Schadenssymptome auf. 44,1 Prozent sind „leicht geschädigt“. Die Luftverschmutzung liege immer noch über dem Vierfachen des Werts, der einen dauerhaften Erhalt der märkischen Waldlandschaft in Berlin gewähren würde, heißt es in der Erhebung.

Umweltsenator Hassemer räumte gestern ein, daß die Hauptursache inzwischen die Ozon- und Stickoxidbelastungen seien, die bei sommerlichen Schönwetterlagen besonders hoch seien. Diese Schadstoffe ließen sich eindeutig dem Autoverkehr zuordnen, der nach der Wiedervereinigung lawinenartig angeschwollen sei. Doch Maßnahmen wie etwa einen vorgezogenen Termin zur Sperrung der Innenstadt für Autos ohne Katalysator oder eine Sommersmog-Verordnung schloß Hassemer aus. Thomas Knauf