Ein Fall für Inspektor Columbo

■ betr.: „Zivildienst ist Zwangsar beit“, taz vom 7.10.93

RTL, Helmut Kohl, Ulrich Finckh. Was haben sie miteinander zu tun? Menschen, die den Wunsch haben, Medizin zu studieren, müssen sich mit derlei Fragen herumärgern. Ich selbst kann die Aufgabe nur noch schwer lösen, obwohl ich sie mir selbst ausgedacht habe. Irgendwie hatte es mit Peter Falk zu tun, der jeden Dienstag beweist, daß einfache Lösungen, die sich geradezu aufdrängen, fast nie zutreffend sind.

Zugegeben, diese Einsicht muß man nicht von Inspektor Columbo haben. Aber wenn die Sache so einfach liegt: Helmut Kohl (Bundeskanzler) äußerte sich im letzten Jahr so: „Solange ich was zu sagen habe, bleibt die Bundeswehr eine Wehrpflichtarmee.“ Der Vorsitzende der Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer Pastor Finckh rechnet die Wehrungerechtigkeit vor. 115.000 von der staatlichen Fleischbeschauung für tauglich befundene Jünglinge werden jährlich nicht einberufen werden können, was mit der grundgesetzlichen Wehrpflicht unvereinbar sei. Na ja, und dann Politiker durch alle Parteien: Überall wird von der Umwandlung der Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee geredet.

Und jetzt kommt der RTL-Sprung: Ich frage mich, was wir damit gewonnen hätten? Außer daß nur noch diejenigen zum Bund marschieren, die ohnehin schon Betten machen können und die „Schule der Nation“ im Blut haben?

Vielleicht soll ich es schärfer formulieren: Ich hätte noch mehr Angst vor einem schießwütigen, nationalistischen Haufen Freiheitsverteidiger, die beim Fahneneid nicht mehr kindisch die Finger auf dem Rücken verkreuzen, sondern ihren eigenen Stofflappen mitbringen, als vor der augenblicklichen Horde.

Was könnte den Rühes denn eigentlich Besseres passieren, als sich auf dem Kasernenhof nicht mehr mit maulenden und ungehobelten Bengels herumärgern zu müssen, die bei jedem Heimaturlaub so oder so, teils durch ihre Wut, teils durch ihre Euphorie, vielleicht schon durch ihr Reiseverhalten in den Bundesbahnwaggons in der Öffentlichkeit für Gesprächsstoff sorgen? Das Kölner Amt könnte seine bisherige Gewissensprüfung der Verweigerer ändern in eine Prüfung der Bekennenden: „Jawohl, ich bin bereit zu töten, wie Sie meinem einwandfreien Lebenslauf und der ausführlichen Begründung entnehmen können.“

Die großspurigen jugendlichen Bundeswehrbefürworter müßten sich nicht mehr klammheimlich mit kaputten Achillesversen oder einflußreichen elterlichen Worten zu drücken versuchen, sie könnten elegantere Begründungen finden, warum sie ihr Recht der Mitwirkung in einer Freiwilligenarmee nicht wahrnehmen können.

Gerade jetzt, wo für unsere Soldatenschar neue Aufgaben definiert werden sollen. Am 7. Februar 1992 konnten wir in der taz Auszüge aus der Vorlage des Verteidigungsministeriums für den zuständigen Ausschuß lesen. Unter vielen anderen Punkten neuer Sicherheitsinteressen war zu lesen: „Förderung und Absicherung weltweiter politischer, wirtschaftlicher, militärischer und ökologischer Stabilität; Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des Zugangs zu strategischen Rohstoffen.“ Ich befürchte, auch einer taz wäre dieses Dokument keine Seite mehr wert gewesen, gäbe es bei uns schon eine Freiwilligenarmee.

Nein, ich bin mit Helmut Kohl für den langen und mühsamen Weg, dem letzten kleinen Hoffnungsschimmer einer friedfertigen Republik entgegen: Wir dürfen die einzig legale Form der Wehrkraftzersetzung nicht aufgeben – die Wehrpflicht. Timo Rieg, Bochum