■ Die Sicherheitsexperten von PLO und Israelis konferieren
: Todfeinde an einem Tisch

Im Hilton-Hotel von Taba muß eine bizarre Atmosphäre herrschen. Seit Donnerstag sitzen sich dort israelische und palästinensische „Sicherheitsexperten“ gegenüber, um das „Gaza-Jericho-Abkommen“ in die Tat umzusetzen. Der israelische Delegationsleiter, General Amnon Shahak, sollte während des Libanonkrieges hohe PLO-Funktionäre um die Ecke bringen. Ihm gegenüber saßen Palästinenser aus den Geheimabteilungen der PLO, also auch solche Leute, die bisher mit der Planung von Attentaten gegen Israelis befaßt waren. Trotz dieses Settings lobten die einstigen Todfeinde gestern die „positive Atmosphäre“ der Gespräche.

Die zunehmende Selbstverständlichkeit, mit der sich Israelis und Palästinenser seit einem Monat treffen, läßt hoffen, daß der Friedensprozeß unumkehrbar ist. Daß es aber ausgerechnet die „Sicherheitsexperten“ sind, deren Verhandlungen am schnellsten voranschreiten, stimmt nachdenklich. PLO-Chef Jassir Arafat ließ in den letzten Wochen mehrere tausend Mitglieder der „Palästinensischen Befreiungsarmee“ (PLA) zu „palästinensischen Polizisten“ umschulen. Bewohner Jerichos und des Gazastreifens erwarten diese „Freunde und Helfer in Uniform“ mit gemischten Gefühlen. Arafat-Kritiker fürchten, demnächst von isralischen Soldaten und PLO-Polizisten gemeinsam nachts aus den Betten gezerrt zu werden.

Es ist zu hoffen, daß Arafats Versprechen, die israelische Besatzungsmacht durch eine demokratische palästinensische Verwaltung zu ersetzen, nicht nur für Geldgeber im Ausland bestimmt war. Freie Wahlen zu einer palästinensischen Autonomieverwaltung im Juli 1994 könnten den Grundstein zum dann einzigen demokratischen arabischen Staat bilden. Dessen bloße Existenz brächte die Machthaber in den umliegenden Staaten ins schwitzen.

Es gibt Anzeichen dafür, daß sich die Palästinenser einen „PLO-Staat“ mit eigener Fahne, aber ohne Grundrechte nicht gefallen lassen werden. Angesichts des „Gaza-Jericho-Abkommens“ werden in den besetzten Gebieten die bisherigen Fraktionszwänge gebrochen. In der Hamas-Hochburg Gaza-Streifen begrüßten über die Hälfte der Einwohner das Abkommen, obwohl die Führung der Islamisten dieses als „Verrat“ geißelte. Bisher loyale Anhänger Arafats kritisieren plötzlich öffentlich den selbstherrlichen Führungsstil ihres Vorsitzenden. Und auch unter den Anhängern der als „Verweigerungsfront“ bezichtigten PLO-Gruppen herrscht mehr Nachdenklichkeit, als in Damaskus verfaßte Kommuniqués glauben machen. Ein Vierteljahrhundert Besatzung hat vielleicht nicht nur Körper und Seelen geschunden, sondern die Palästinenser skeptisch gegenüber jeder Obrigkeit gemacht. Thomas Dreger