Großer Wurf oder Scheitern

EG und Vereinte Nationen in Bosnien- Geheimrunde  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Ohne große Hoffnung auf Erfolg bemühen sich Diplomaten von EG und UNO derzeit in Zagreb, Belgrad und Sarajevo um ein für die Regierung Bosnien-Herzegowinas doch noch akzeptables Bosnien-Abkommen sowie um die Deeskalation des serbisch-kroatischen Konflikts in der Krajina. Im Unterschied zu den in bislang über 13 Monaten ergebnislosen Bemühungen der Genfer Jugoslawien- Konferenz wird über die derzeitigen Gespräche der Vermittler Thorvald Stoltenberg und David Owen sowie weiterer Konferenzdiplomaten in den Hauptstädten der ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken offiziell Stillschweigen bewahrt. Nach inoffiziellen Äußerungen beteiligter Diplomaten geht es bei den Gesprächen um die Suche nach einer „politischen Lösung im größeren Rahmen“. Zu diesem Zweck wird in EG-Kreisen auch die Durchführung einer zweiten Konferenz erwogen. Unklar ist noch, wer daran beteiligt werden soll — ob nur ex- jugoslawische Republiken oder auch andere Staaten der Balkan- Region.

Weiter bemühen sich Owen, Stoltenberg und Co., der serbischen Seite noch einige Territorialzugeständnisse an die Muslime in Ostbosnien abzuringen, um so ein Bosnien-Abkommen für Regierung und Parlament in Sarajevo doch noch akzeptabel zu machen. Angesichts der Wiederaufnahme der serbischen Artillerieangriffe auf Sarajevo nach wochenlanger relativer Ruhe werden die Chancen hierfür jedoch als sehr gering eingeschätzt. Konferenzdiplomaten befürchten, daß Serbiens Präsident Slobodan Milošević nach dem jüngsten Jugoslawien-Beschluß des UNO-Sicherheitsrates weniger Anlaß als zuvor sieht, den bosnischen Serbenführer Radovan Karadžić zu territoralen Zugeständnissen zu drängen. Der Sicherheitsrat hatte letzte Woche die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen Serbien, die bislang lediglich von einem Bosnien-Abkommen und dem Beginn seiner Umsetzung abhängig war, zusätzlich an die Bedingung geknüpft, daß Milošević die kroatischen Serben von weiteren militärischen Aktionen in der Krajina abhält. Ein weiterer Nachteil dieses „an sich richtigen Beschlusses“ — so ein Konferenzdiplomat gegenüber der taz — sei, daß sich Kroatiens Präsident Tudjman „nun zu einer härteren Haltung im Krajina-Konflikt ermuntert“ fühle. Für die Deeskalation oder gar eine politische Lösung dieses Konflikts bestehe „kaum Aussicht, solange die kroatische Armee jedes Dorf, das sie von den Serben zurückerobert, dem Erdboden“ gleichmache.

Wie zur Bestätigung räumte Tudjman am Mittwoch zum erstenmal öffentlich ein, von Anfang an das Kriegsziel einer Teilung Bosnien-Herzegowinas verfolgt zu haben. Die von ihm von Anfang an angestrebte Teilung Bosnien-Herzegowinas sei im Interesse Kroatiens notwendig. Berichte, er habe mit Serbiens Präsident Milošević schon vor Kriegsbeginn im Sommer 1991 ein Geheimabkommen über die Aufteilung Bosniens getroffen, hatte Tudjman in der Vergangenheit stets dementiert. Die neue Äußerung kam zwei Tage vor dem heute beginnenden Parteitag der von Tudjman geführten kroatischen Regierungspartei HDZ, von dem schwere Auseinandersetzungen über Bosnien erwartet werden. Tudjmans innenpolitische Kritiker — auch innerhalb der eigenen Partei — argumentieren, den Interessen Kroatiens hätte am ehesten der Erhalt Bosnien-Herzegowinas in seinen international anerkannten Grenzen gedient. Auf die Unterstützung Tudjmans für die Zerschlagung Bosniens könnten sich nun auch die separatistischen Serben in der Krajina und in Ostslawonien berufen.

Erneute Rückschläge gab es derweil für die humanitären Bemühungen. Wie ein Sprecher der Genfer UNHCR-Zentrale mitteilte, kehrten die seit Tagen von serbischen Truppen blockierten 24 Lastwagen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten für über 150.000 Muslime in den nordbosnischen Städten Maglaj und Tesanj nach Zagreb zurück. Und der für gestern angekündigte umfangreiche Gefangenenaustausch zwischen Kroaten und Muslimen in der Region Mostar wurde nach einer Mitteilung des IKRK auf nächste Woche verschoben, weil „eine der beiden Seiten“ den zunächst vereinbarten Ort für den Gefangenenaustausch verändert habe.