Spontan spazierengehen

■ Karl-Heinz Bunk, der erste Klient beim ISB, beschreibt die Betreuung

Karl-Heinz Bunk ist ein Rollstuhlfahrer, der auch seine Arme nur sehr eingeschränkt bewegen kann. Er wurde 1982 zum ersten Betreuungsfall des ISB. Bei der Jubiläumsfeier berichtete er über seine Erfahungen mit dem Zivildienstleistenden des ISB. Wir dokumentieren Auszüge:

„Dieser erste Zivi war eine völlige Katastrophe: er war unzuverlässig, unpünktlich, stand ständig unter Alkohol und war kein bißchen motiviert. (...) Ich will damit aufzeigen, daß der Beginn der ISB doch recht schwierig war und wir Rückschläge und dicke Brocken verdauen mußten.

Wir lernten aus unseren Fehlern. Und das war dann auch der eigentliche Beginn eines neuen wunderbaren Lebens. Man war frei, konnte selbst über alles bestimmen, nahm am öffentlichen Leben teil und erlebte eine vollkommen neue Welt. Die alte festgefahrene Scheuklappenmentalität fiel von einem ab und man konnte weitgehend wie ein nichtbehinderter Mensch leben. Selbstverständlich sind einem als Behindertem Grenzen gesetzt. Es ist falsch zu glauben, daß mit noch so guter Betreuung Treppenstufen verschwinden, Verkaufstresen niedriger oder öffentliche Verkehrsmittel zugänglicher würden. Aber eine ständige, gute Betreuung nimmt die Angst und macht Mut im Umgang mit der Öffentlichkeit.

Wichtig ist die ständige Anwesenheit einer Betreuungsperson: wenn es darum geht, z.B. öfter eine Verlagerung im Rollstuhl vorzunehmen, oder Insekten zu verscheuchen, oder ständig toilettenbereit zu sein, oder auch einfach am Kopf zu kratzen, wenn's mal juckt. Dies alles und auch die Fähigkeit, impulsiv Dinge entscheiden zu können, wie z.B. bei nicht angekündigtem Sonnenschein in den Bürgerpark zu gehen oder bei kurzfristig anberaumten Ereignissen spontan reagieren zu können. All diese Eigenschaften einer individuellen, ambulanten Versorgung machen deutlich, daß eine andere Versorgungsstruktur eine Unterversorgung darstellt, bei der die Menschenwürde auf der Strecke bleibt.

Leider waren auch die letzten Jahre durch einen ständigen Kampf mit den senatorischen Behörden über die Kostenentwicklung gekennzeichnet. Eigentlich traurig, daß der Regierung die Behinderten nicht mehr wert sind und es noch keinen gesetzmäßigen Anspruch auf eine humane Versorgungsform für Schwerstbehinderte gibt.

Gerade in jüngster Zeit wurde von der Sozialbehörde eine Verwaltungsanweisung erarbeitet, welche die Kostenobergrenze für die Versorgung Schwerstbehinderter definieren soll und zahlreiche ambulant versorgte Klienten zu Heimbewohnern macht. Ich hoffe, daß diese Verwaltungsanweisung nicht zur Anwendung kommt. Ich und die anderen Schwerstbehinderten im Land Bremen wollen sorgenfrei in die Zukunft sehen können.“