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Ringelpietz mit Anfassen

Vom risikofreudigen Herzogenrath zum diplomatischen Schuster: Die Dependance der Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof wird bei ihrer Eröffnung 1995 einen anderen als den bisher vorgesehenen Leiter haben  ■ Von Ulrich Clewing

Mittlerweile pfeifen es die Spatzen von allen Dächern: bei der Nationalgalerie ist das interne Postenkarussell in Bewegung geraten. Anstelle des bislang dazu ausersehenen Wulf Herzogenrath soll nun der stellvertretende Direktor, Peter-Klaus Schuster, die im Hamburger Bahnhof geplante Dependance für die Kunst ab 1960 leiten. Schuster, eigentlich von Haus aus Spezialist für das 19. Jahrhundert, firmiert seit ein paar Wochen auch als Direktor der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel. Insider unken bereits, wie er diesen „Spagat“ bewerkstelligen werde.

Dem Personalwechsel vorangegangen war ein „Crash“ (Herzogenrath) auf hoher Ebene: Im Kreis der Museumsleiter der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hatte Generaldirektor Wolf-Dieter Dube Herzogenrath mangelndes Engagement und „Konzeptionslosigkeit“ vorgehalten. Die Ironie am Rande: vor nicht allzu langer Zeit war Dube derselbe Vorwurf gemacht worden. Hinter vorgehaltener Hand kursiert freilich noch eine andere Erklärung für Herzogenraths schleichende Degradierung, denn dieses Posten- Ballett kommt einer programmatischen Veränderung gleich: vom risikofreudigen Herzogenrath zum in jeder Beziehung diplomatischen Schuster. Lange schon stimme die Chemie nicht mehr zwischen Herzogenrath und dem Sammler Erich Marx sowie dessen Vertrauten, dem Berliner Kunsthändler Heiner Bastian. Mit ihren einzigartigen Werken von Beuys, Twombly, Rauschenberg und Warhol soll die Sammlung Marx das Kernstück des neuen Museums werden.

Nun gilt Herzogenrath, der sich 1989 vom Kölner Kunstverein nach Berlin locken ließ, als Anhänger der sogenannten neuen Medien, schwärmt für Video und Fotografie. Er hat zahlreiche größere und kleinere Projekte in oftmals erfrischend unbürokratischer Art unterstützt, war Anfang dieses Jahres verantwortlich für die Kunstausstellung während der Mediale in Hamburg und fungiert als Herausgeber einer Reihe über aktuelle Fotografie in Deutschland.

Bei Bastian hingegen hat man manchmal den Eindruck, er sei – im Verbund mit Eva Beuys, der Witwe der Künstlers – der qua definitione bestimmte, auf eine gewisse museale Antisepsis bedachte Gralshüter des Beuysschen Werkes. Wohl nicht ganz falsch liegt man, hinter diesem Engagement mehr als das treue Andenken an den Meister selig zu vermuten. Schließlich besitzt Bastian, der es vom Privatsekretär zum Rolls- Royce mit Chauffeur gebracht hat, selbst eine ansehnliche Beuys- Sammlung. Da geht es um die Sicherung von Marktpreis und eigenem Besitzstand – Experimente, wie Herzogenrath sie vorhat, können angesichts der Rezession auf dem Kunstmarkt nur stören.

Nach außen hin bemühen sich die gegnerischen Parteien abzuwiegeln. Es gehe ausschließlich um fachliche Fragen, die Diskussion sei anregend und fruchtbar, hatte unlängst Bastian erklärt und in gut einstudierter Demutsgeste versprochen, „jede Personalentscheidung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu akzeptieren“. Dieter Honisch, der Direktor der Nationalgalerie mit der Gewißheit im Rücken, daß bis zur Einweihung der Dependance noch mindestens zwei Jahre vergehen werden: „Sicher“ werde Herzogenrath Leiter des Hamburger Bahnhofs.

Die Zeichen aber stehen längst auf Sturm. Generaldirektor Dube möchte sich derzeit vorsichtshalber schon nicht einmal mehr daran erinnern, dem Geschmähten irgendwelche Versprechungen gemacht zu haben. Tatsache ist: Nach Dahlem, um mit Bastian über die Einzelheiten der Stiftung zu verhandeln, fährt derweil Schuster, der seinen Weg zu machen scheint. Der Wissenschaftler, der kürzlich die Stelle des Direktors des Germanischen Nationalmuseums angeblich wegen der dort aufgelaufenen Schulden in letzter Minute abgelehnt hat, ist Dubes Wunschkandidat für die Nachfolge von Dieter Honisch, wenn dieser 1997 in Ruhestand geht. So zumindest ist aus Reihen der finanzkräftigen und dementsprechend einflußreichen „Freunde der Nationalgalerie“ zu erfahren.

Der Fall Herzogenrath ist mehr als nur eine Personalie. Er wirft ein bezeichnendes Schlaglicht auf die deutsche Museumspolitik zu Zeiten, in denen aktuelle Kunst innerhalb kürzester Zeit astronomische und für ein durchschnittliches Museum unerschwingliche Preise erzielt. In dieser Konstellation wächst die Macht der Sammler, für den Mäzen von Welt geht heute unter einem eigenen Museum offenbar gar nichts mehr. Daß dies nicht ohne kulturpolitische Folgen bleibt, mag einleuchten. Seit Jahren schon dauert das Hickhack zwischen Lothar Buchheim und verschiedenen, mehr oder minder bekannten Kommunen um die Einrichtung einer Heimstatt für die hochkarätige Expressionisten- Sammlung des Autors. Nach München, Feldafing am Starnberger See und diversen anderen westdeutschen Städten, war jetzt Chemnitz an der Reihe, von dem eigenwilligen Taktiker düpiert zu werden. In Weimar wurde dem früheren Galeristen Paul Maenz blanko zugesagt, daß seine Sammlung in das neurenovierte Museum kommt. Ebensowenig ein Geheimnis ist, daß der im August geschaßten Kölner Museumschefin Hiltrud Klier nicht zuletzt das gestörte Verhältnis zu dem Schokoladenfabrikanten und Großsammler Ludwig zum Verhängnis wurde. Und was dem Kölner recht ist, ist dem Berliner nur billig.

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