Verreister Ehemann als Abschiebegrund

Ausländerbehörde will eine Bosnierin abschieben, die mit einem Deutschen verheiratet ist / Begründung: Die Ehe sei mangels persönlicher Bindung keine allumfassende Lebensgemeinschaft  ■ Von Anita Kugler

Die Ausländerbehörde am Friedrich-Krause-Ufer will eine Bosnierin, Moslemin noch dazu, aus Berlin abschieben, obwohl sie mit einem Deutschen verheiratet ist und obwohl sie als Bosnierin laut Senatsanweisung überhaupt nicht abgeschoben werden darf. Begründung: Erstens habe die Frau keinen bosnischen, sondern einen jugoslawischen Pass mit kroatischem Stempel, und zweitens – und dies sei für das Aufenthaltsrecht entscheidend – sei die Ehe keine. Wörtlich: „Der Grundsatz, daß ein Ausländer aufgrund der Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen ein Bleiberecht in Deutschland hat, erleidet eine Ausnahme in den Fällen, wenn – wie in Ihrem Fall – die Ehe mangels persönlicher Bindung nicht mehr als (...) eine grundsätzlich alle Lebensbereiche der Ehegatten umfassende Lebensgemeinschaft angesehen werden kann.“

Die beiden angeblichen Scheingatten Fred und Halida Röhl leben derweil in einer Charlottenburger Einzimmerwohnung, haben eine Rechtsanwältin eingeschaltet und sind empört. Geheiratet haben sie im Oktober 1988 in Berlin und sind, weil Ehemann Fred an den Folgen einer Kehlkopfoperation leidet und jodhaltige Luft ihm gut tut, 1991 gemeinsam in ihr Eigenheim an die Küste von Montenegro gezogen. Im März 1993 beantragte Ehefrau Halida für sich und ihre 18jährige Tochter bei der deutschen Botschaft in Zagreb ein Visum im Rahmen der Familienzusammenführung, weil beide, des Krieges wegen, ihre Rückkehr nach Deutschland planten. Halida Röhl kam im Mai nach Berlin und stellte eine entsprechende ständige Aufenthaltsgenehmigung.

Derweil lief ihr alter jugoslawischer Pass samt Visum ab. Weil die bosnische Botschaft aber 400 Mark für einen neuen Paß verlangte, ließ sie ihren alten bei der Kroatischen Botschaft für 35 Mark verlängern und erhielt anschließend aufgrund dieses kroatischen Stempels von der Ausländerbehörde nur eine weitere befristete Aufenthaltsgehmigung bis zum 10. September. In der Zwischenzeit aber wurde ihr Antrag auf die ständige Aufenthaltsgenehmigung von den Sachbearbeitern des Landeseinwohneramtes gedreht und gewendet und dann am 16. August mit der Begründung der „nicht vorhandenen Lebensgemeinschaft“ abgelehnt. Denn der große Fehler war: Ehemann Fred war im Mai nicht mit nach Deutschland gereist, sondern nach Bosnien, um dort zu versuchen, die moslemischen Schwiegereltern aus dem Kriegsgebiet herauszuholen. Soweit jedenfalls seine Darstellung.

Frau Halida – „ich habe nur einige Monate von meinem Mann getrennt gelebt“ – schaltete sofort eine Rechtsanwältin ein. Und diese erhob Widerspruch, auf den bis heute keine Antwort gekommen ist. Aber im August glaubte Halida naiverweise noch, ein wenig Zeit für all die Formalitäten zu haben, denn die befristete Aufenthaltsgenehmigung lief ja bis zum 10. September. Pünktlich zu diesem Termin erschien sie erneut mit allen Heiratsdokumenten beim Landeseinwohneramt. Ein sinnloses Unterfangen. Die Beamten unterstellten ihr erneut schlankweg, daß sie die Heiratspapiere gekauft habe und eine Scheinehe führe. Ihr einziger Beweis: Der Ehemann sei immer noch nicht da. Frau Halina benachrichtigte erneut die Anwältin, die sofort per Fax um einen Gesprächstermin nachsuchte, und den Ehemann, der schon auf dem Weg war und zwei Tage später eintraf.

Der verlangte Gesprächstermin „zu dritt“ mit dem Landeseinwohneramt kam bis heute nicht zustande, dafür erhielt die Anwältin aber am 13. Oktober den telefonischen Bescheid, daß die Akten von Frau Halida inzwischen an die Abschiebebehörde übergeben wurden. Es ist also jeden Tag damit zu rechnen, daß die Polizei die Ehefrau eines deutschen Staatsbürgers aus dem gemeinsamen Zimmer herausholt und in Abschiebehaft steckt. Die Anwältin hat vorgestern einen Antrag beim Verwaltungsgericht auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, und das Ehepaar sucht jetzt hektisch eine Unterkunft auf Dauer, um die „Lebensgemeinschaft“ zu zementieren. Eine gemeinsame Hausmeisterstellung samt Wohnung in Steglitz ist ihnen vor zwei Wochen durch die Lappen gegangen. Pikante Begründung der Hausverwaltung: die fehlende Aufenthaltsgenehmigung der Ehefrau.