Und dann hau ich mit dem Hämmerchen...

Fürstin Gloria von Thurn und Taxis muß auch in Zukunft kein Armenbrot beißen. Die Versteigerung einiger überflüssiger Staubfänger auf Schloß Emmeram übertrifft alle pekuniären Erwartungen Ihrer Durchlaucht  ■ Aus Regensburg Bascha Mika

„Los Nr.1. Eine Chaiselongue, deutsch, circa 1860. Wir beginnen mit 1.000 Mark. 1.000 Mark! 1.200, 1.400, 1.600 zu meiner Linken. 1.800, das Gebot sitzt hinten im Saal. 2.000 am Telefon. 2.000 am Telefon gegen den Saal. 2.300. 2.600 die Dame in Rot. 2.800 am Telefon. 2.800 (Stimme in Dur), 2.800 (Stimme in Moll). Ich werde es verkaufen für 2.800 Mark (Stimme drohend). 3.000 Mark. 3.300 hier in der ersten Reihe. 3.300, das Gebot ist im Saal. Bieten Sie 3.600? Vielen Dank! 3.600. Was sind schon 300 Mark? 4.000 am Telefon. 4.000 am Telefon gegen den Saal. 4.000 Mark! Niemand mehr?“ Das Hämmerchen fliegt in die Luft. „Ihre letzte Chance!“ Das Hämmerchen knallt aufs Pult. Zack!

Simon de Pury hat für Ihre Durchlaucht Mariae Gloria Ferdinanda Joachima Fürstin von Thurn und Taxis die ersten 4.000 Mark verdient. Nebst 15 Prozent für die eigene Firma. In 40 Sekunden. Daß er zwischendurch einmal geatmet hat, hat niemand bemerkt. Simon de Pury ist eine Mischung aus Prinz Charles und Straßenpropagandist und außerdem Deputy Chairman von Sotheby's – neben Christie's das bedeutendste Auktionshaus der Welt. Zur Zeit veranstaltet Sotheby's auf Schloß Emmeram in Regensburg, dem Stammsitz derer von TuT, mit Objekten aus der fürstlichen Sammlung die größte Versteigerung Europas. Zack! Schon ist das nächste Stück unter dem Hammer.

Sotheby's aufwendige Promotion im Vorfeld der Show hat rund 1.000 InteressentInnen angelockt. 75 Prozent Privatpersonen, der Rest sind überwiegend bayerische und österreichische Händler. Hochliquide Japaner sind kaum zu sehen, das fernere Ausland bietet am Telefon.

Zehn Tage lang tobt in Regensburg die Bietschlacht. Eine distinguierte Schlacht selbstverständlich, wo statt Klingen Banknoten gekreuzt werden und Geld fließt statt Blut. Und wenn schon von Blut die Rede ist, dann soll es hier ein wenig blau veredelt werden. Wäre es nicht ganz entzückend, fürs eigene Wohnzimmer einen Sessel zu ersteigern, den ein fürstlicher Hintern geadelt hat? Da hätten wir eine Bergere aus dem Appartement Erzherzog Josephs mit rotem Damastbezug und vergoldeten Schwanenhälsen. Zack! Schon verkauft. Für 10.000 Mark.

Versteigert wird in der Reiterschule, einem weißen Saal mit vornehmen roten Teppichen und weniger vornehmen blauen Plastestühlen bestückt. Aufgereiht das Auktionspublikum, meist feingemacht, denn man ist ja bei Fürstens geladen. Auch wenn sich die Dame des Hauses kein einziges Mal blicken läßt. Mal klunkert das Geschmeide, mal werden zu oft geliftete Falten hinter Sonnenbrillen versteckt. Doch der von Sotheby's zuhauf erwartete Geld- und Hochadel macht sich rar. Dem ist das medienträchtige Ereignis wohl zu plebejisch.

Wohl wahr. Die Veranstaltung ist so plebejisch, daß Toiletten auf dem Auktionsgelände seltener sind als vergoldete Nachttöpfe. „Viel Plunder wird hier angeboten“, sagt eine Regensburger Lästerzunge, die nur aus Neugier gekommen ist, „mal fehlen die Beine, mal hat das Porzellan Risse, aber die Leute wollen es haben.“

Denn Ihre Durchlaucht hat entrümpelt. Und weil TuTs nicht nur einen Speicher, sondern auf Schloß Emmeram 500 Zimmer zum Abstellen von Schränken, Spiegeln, Schreib- und Salontischchen, Kerzenleuchtern und Kaminschirmen haben, hat sich im Lauf der Jahrhunderte so einiges angesammelt. Was brauch ich überflüssige Staubfänger, fragte sich die Fürstin, die mit nur 55 Lakaien im Schloß haushalten muß. Wichtiger ist Bares auf die Hand. Zack! Sechs Stühle verscherbelt, 24.000 Mark eingesackt.

Wie ein Spielautomat Münzen, spuckt de Pury Gebote in die Menge. „Fünftausend, fünftausendzweihundert, fünftausendfünfhundert...“

„Versteigern“, sinniert Christoph Graf Douglas, Leiter von Sotheby's Deutschland, am Rande des Saals, „ist wie Autofahren. Wie schnell man als Auktionator mit dem Preis nach oben geht, ob man um jeweils 50, 100 oder 1.000 Mark erhöht, entscheidet man nach Gefühl.“

Mal schießt de Purys rechter Arm nach vorn, um einen Bieter quasi aufzuspießen, mal schnellt der linke mit dem Hämmerchen drohend nach oben. In der Hitze des Gefechts vergißt er ab und an, in welcher Währung gehandelt wird und wiederholt das Gebot im Affenzahn in Franken oder Dollar. Das Publikum freut sich und lacht, das hebt die Stimmung im Saal – und die Preise.

Vorletztes Jahr, nach dem Tod von Baptista de Jesus Maria Louis Miguel Friedrich Bonifazius Lamoral, 11. Fürst von Thurn und Taxis, Fürst zu Buchau und Fürst von Krotoszyn, Herzog zu Wörth und Donaustauf, gefürsteter Graf zu Friedberg-Scheer, Graf zu Valle- Sasina, auch zu Marchtal, Neresheim usw. (Durchl.) – von seiner Gattin kurz Goldi gerufen – kamen auf die 34 Jahre jüngere Witwe 65 Millionen Mark Erbschaftssteuer zu. Nach dem Krieg war die Familie zwei Generationen lang von dieser lästigen Abgabe befreit. Als der zehnjährige Albert den Titel von seinem Vater erbte – bei TuTs ist man traditionsbewußt und hält sich an die männliche Erbfolge –, wurde sie fällig. Doch TuTs waren gerade nicht flüssig. Im Gegenteil.

Ihr Besitz wird zwar auf vier Milliarden geschätzt und gehört zu den größten Privatvermögen der Welt – aber als der alte Fürst starb, hatte er nicht nur Unmengen verpraßt, sondern diverse Unternehmen des Familienimperiums heruntergewirtschaftet. Fürstin Gloria, die das Vermögen für ihren Sohn Albert verwaltet, begann zu sanieren und Bargeld aufzutreiben, um die Schulden zu bezahlen.

De Pury thront auf einer Holzkanzel, hat die BieterInnen im Saal und sein Dutzend AssistentInnen immer im Blick. Mitgeboten wird nicht nur in der Reiterschule, sondern auch noch in einem Zelt nebenan und an dreißig Telefonen. Wer hergekommen ist, um zu erleben, wie jemand durch zuckende Augenbrauen oder Zupfen am Ohr dem Auktionator Zeichen gibt, wird maßlos enttäuscht. Gesteigert wird mit einem schlichten DINA4-Blatt, auf das die Bieter- Nummer gedruckt ist. Der eine hält sich das Blatt verschämt vor die Brust, die andere wedelt damit. Und zack! Das Hämmerchen haut aufs Pult, das nächste Stück wechselt den Besitzer.

Man stelle sich vor, unsereins erscheint beim Finanzamt mit einer Salami unterm Arm, um seine Steuern in Naturalien abzutragen. Wird der Beamte dann ungehalten, liegt es nur daran, daß uns fünfhundert Jahre Stammbaum fehlen. Nicht so dem Fürstenhaus. Deshalb konnte Gloria mit dem Freistaat Bayern dealen und dem Land 44 Millionen Mark Steuern in Sachwerten abzahlen. Dann versilberte sie Pretiosen und Tafelgeschirr bei einer Auktion in Genf. Jetzt folgen in Regensburg 4.500 Stück Schloßinventar und 75.000 Fläschchen Wein aus dem fürstlichen Keller. „Objekte von großer Desirabilität“, näselt Simon de Pury nobel. Damit sollen die restlichen 14 Millionen getilgt werden.

„Die Fürsten waren früher doch alle Raubritter“, brummt ein Auktionsbesucher, nebenbei Nachtportier in einem Regensburger Hotel, „wo käme denn sonst so ein Vermögen her.“ Das ist zwar historisch nicht ganz korrekt, aber wer wollte es dem Manne verübeln. Das Haus Thurn und Taxis hat Geld gemacht, womit es heute niemand mehr schafft: mit der Brief- und Personenbeförderung. Ruggerio de Tasso hat bereits im 15. Jahrhundert eine Pferdepost eingerichtet, worauf sich seine Familie kurze Zeit später das Postmonopol sicherte. Durch reitende Boten konnte man damals noch goldene Löffel verdienen – kein Wunder, da ein Brief zwischen Brüssel und Paris schneller befördert wurde als heutzutage. Er brauchte nur 24 Stunden.

Bei der Versteigerung geht das Geldmachen noch schneller. Nach anderthalb Stunden der ersten Session ist Graf Douglas bereits so verzückt, daß die gelben Windhunde auf seiner roten Krawatte tanzen. Die erste Million ist voll. Nahezu alle Lose sind für das Zigfache ihres Schätzwertes über den Tisch gegangen. „Viel besser, als erwartet“, schwärmt der Graf, „die Leute haben erkannt, welchen Charme die Objekte haben.“

Dieser besondere Charme beschränkt sich allerdings oft auf den fürstlichen Stempel: Protz und Prächtig. Schließlich will der Käufer was bekommen fürs Geld. Hauptsache glänzend, schwülstig und überfrachtet, dann wird's ganz schnell und teuer verkauft. Eine große Girandole (sprich Kerzenständer) zum Beispiel: Bronze vergoldet, floral gestalteter Sockel mit drei aufgesetzten Putti und blattreliefiertem Schaft. „Wir beginnen mit 2.000 Mark“, kann de Pury gerade noch rufen, zwanzig Sekunden später – zack – hat er das Ding für 13.000 verkauft.

Der Regensburger als solcher hat mit diesen Preisen Probleme. „Jetzt wird's verrückt“, schimpft eine Einheimische, als ihr eine kleine Nußbaumschatulle, die auf 100 bis 150 Mark geschätzt war, für 3.000 weggeschnappt wird. Dabei hätte sie sich doch so gern was von TuTs in die Schrankwand gestellt. „Thurn und Taxis gehören zu Regensburg“, meint sie. Was umgekehrt richtiger wäre: Eigentlich gehört Regensburg Thurn und Taxis. Nur die katholische Kirche kann als Arbeitgeber noch mithalten.

Die noble Familie rühmt sich ihrer „fürstlichen Notstandsküche“ und anderer philanthropischer Einrichtungen – als würde ihr solcherlei Engagement an die Rente gehen. Trotz dieser Schaumschlägerei fühlen sich die Regensburger immer geadelt, wenn ein paar Strahlen des fürstlichen Glanzes auf sie fallen. Und im übrigen finden sie Gloria gar nicht elitär. „Wenn die ungeschminkt durch die Stadt läuft, sieht sie aus wie jedes normale Trutschen“, stellt das Volk zufrieden fest. Ihre früheren Eskapaden als schrille Skandalnudel verzeiht man ihr gerne. „Damit hat sie doch Regensburg wenigstens ins Gespräch gebracht“, lautet die pragmatische Einschätzung im Touristenort, „und heute macht sie eben auf seriös.“

Ob schrill oder seriös, das nötige Kleingeld wird dem fürstlichen Trutschen auch in Zukunft nicht fehlen. Dafür hat unter anderem die Auktion gesorgt. Und sollte es trotzdem nicht reichen, hat Pater Emmeram, Onkel der angeheirateten Durchlaucht und ihr nicht sehr wohlgesonnen, einen praktischen Vorschlag: „Versteigert Gloria!“

Zack! Das Hämmerchen fällt, das letzte Los der ersten Session ist verkauft, die Fürstin um weitere 25.000 Mark reicher. De Pury klettert von seinem Pult. Erstaunlicherweise hängt sein Mund nicht in Fransen. Fünf Stunden hat er geredet wie ein Schnellfeuergewehr, animiert, agitiert, die Preise in die Höhe lanciert. Unterstützt mit nichts als eineinhalb Gläsern Wasser. „Das Adrenalin hilft“, grinst er glücklich. Bereits der erste Durchgang des ersten Tages hat mit 259 verkauften Stücken rund drei Millionen gebracht. Der Schätzwert lag bei 1,2 Millionen. Nach den ersten drei Tagen sind bereits zwölf Millionen im fürstlichen Säckel. Wie sagt doch Graf Douglas: „Provenienz und Namen haben einen relativ hohen Marktwert.“