Neuer Reis für Japan

■ Tokio will gesetzlich verankertes Reisimportverbot aufgeben

Tokio (taz) – Die japanische Regierung will vielleicht noch in diesem Jahr einer beschränkten Öffnung des heimischen Reismarkts zustimmen.

Außenminister Tsutomu Hata weigerte sich jedenfalls gestern, Berichte aus Genf und Washington zu dementieren, denen zufolge die japanischen Verhandlungsführer bei den Gatt-Gesprächen über ein internationales Zoll- und Handelsabkommen einem Kompromiß zugestimmt hätten. Dieser soll den ausländischen Reiseinfuhren in den nächsten sechs Jahren einen Anteil von drei bis fünf Prozent des japanischen Marktes einräumen.

Japaner und Amerikaner verhandelten in den letzten Tagen offenbar zum ersten Mal direkt über die Reisfrage. Mit einer Einigung könnte das, neben dem amerikanisch-europäischen Agrardisput, größte verbliebene Hindernis für den Abschluß der Gatt-Runde beseitigt sein.

Berührt wäre damit eines der größten Tabus der japanischen Nachkriegspolitik. Seit 1983 ist das Reisimportverbot in Japan durch einem Parlamentsbeschluß über die Selbstversorgung mit Grundnahrungsmitteln sogar gesetzlich abgesichert.

Um einer unmittelbaren Gesetzesänderung zu entgehen, schlägt die japanische Regierung nun offenbar im Einverständnis mit den USA ein sechsjähriges Moratorium vor. In dieser Zeit wird dem ausländischen Reis zwar erstmals ein fester Marktanteil zugesichert; das Importverbot wird aber noch nicht durch Zollregelungen, wie sie Gatt prinzipiell fordert, ersetzt. Erst nach Ablauf des Moratoriums sähe der Kompromiß die Einführung eines neuen japanischen Zollsystems für den Reisimport vor. Bis dahin hätte der japanische Gesetzgeber die nötige Zeit, eine grundsätzliche Neuregelung vorzubereiten.

Der japanische Regierungschef Morihiro Hosokawa betonte gestern, ohne die Gatt-Gespräche näher zu erwähnen, daß Japan am Prinzip der Selbstversorgung mit Reis festhalte. Über ihm brach jedoch der Sturm der japanischen Agrarlobby los, die den Verrat der Regierung bereits seit Tagen witterte.

Doch hat Hosokawa offenbar die günstige Gelegenheit erkannt, die ihm in diesem Jahr die schlechteste japanische Reisernte seit dem Zweiten Weltkrieg bietet. Erst am Donnerstag mußte die Regierung den Import von 200.000 Tonnen Reis anordnen, da andernfalls Versorgungsengpässe drohten.

Die mißliche Erntelage erleichtert indessen die Akzeptanz der Bevölkerung für eine neue Reispolitik. Schließlich sollen sich die japanischen Importe auch nach den jetzigen Überlegungen auf jährlich 450.000 Tonnen Reis bis zum Jahr 2000 beschränken.

Den Japanern läßt sich so vielleicht klarmachen, daß ihnen andernfalls – nämlich nach einem Scheitern der Gatt-Verhandlungen – noch Schlimmeres bevorstände. Georg Blume