Beraten bleibt bürokratisch

■ Studienberatung: Humboldt-Uni unterbesetzt, FU drängelt, TU Vorbild

Die Nachricht klingt gut. Humboldt-Universität und Arbeitsamt wollen StudentInnen besser beraten. Gemeinsam soll nun funktionieren, was sich mit den Jahren zu einem der großen Versäumnisse an den Massenuniversitäten ausgewachsen hat: Studien- und Berufswünsche im Spannungsfeld zwischen persönlichen Interessen und den Erfordernissen des Arbeitsmarktes zu verorten. Doch verabredet haben Humboldts und die Außenstelle der Nürnberger Bundesanstalt nur eine dröge Verwaltungsvereinbarung.

Zwischen den Studien- und den Arbeitsberatern werde es künftig regelmäßige Besprechungen geben. Ein „abgestimmtes Verweissystem“ und umfassender Informationsaustausch sollen zwischen der Humboldt-Uni und dem Arbeitsamt geführt werden. Freilich müsse die jeweilige Zuständigkeit gewahrt bleiben. Und die einzige vereinbarte Neuerung ist längst keine mehr. Lediglich auf eine formalrechtliche Grundlage gestellt wurde nun, daß freitags ein Berater des Arbeitsamts Unter den Linden mit in der Studienberatung sitzt.

„Keine große Leistung“ weiß auch Kajo Piper von der HUB, der gerne ein offensiveres Beratungskonzept „aus der Schublade ziehen“ würde. Doch dem Leiter der Studienabteilung fehlt dafür das nötige Personal. Zwei Studienberater kümmern sich bei Humboldts um 20.500 StudentInnen. Piper muß selbst den obersten Studienberater spielen, weil vier seit einem Jahr ausgeschriebene Stellen nicht besetzt werden. (taz vom 7.10.93)

Zu Zeiten Pipers frühen Vorgänges Wilhelm von Humboldt war Studienberatung im heutigen Sinne nicht nötig. Nur wenige studierten. Das beratschlagende Moment ergab sich naturwüchsig aus dem Gespräch zwischen Professor und Studiosus. Im übrigen bot der Arbeitsmarkt den Absolventen beste Chancen. Heute ist das anders. Zwischen Lehrenden und Lernenden herrscht weitgehend Funkstille. Und eigenes professionelles Personal für Arbeitsmarktberatung gibt es kaum. „Studienberatung ist ein ganz entscheidenunterbesetzt, FU drängelt, TU Vorbild

der Faktor“, meint Kajo Piper, „um Bildungseffekte im Studium besser zum Tragen zu bringen.“

Doch in den Zeiten der chronischen Unterversorgung mit Lehrenden bekommt Beratung einen repressiven Beigeschmack. Berlins Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) versteht Studienberatung als Mittel, „um die Einhaltung der Regelstudienzeit sicherzustellen.“ Und die Bundes-CDU wünscht sich „intensive Beratung auch über die Alternativen zum Studium.“

Kein Wunder, daß Erhardt den Germanisten der Freien Universität jüngst Beifall klatschte. Vor der Rückmeldung bestellten sie ihre StudentInnen über dem 19. Semester zu einer obligatorischen Beratung ein, immerhin 1.401 Leute. Ziel der Aktion war allerdings „nie die Zwangsexmatrikulation“, betonte Verwaltungsleiter Matthias Dannenberg. „Wir wollen durch persönliche Ansprache mehr Leute zum Examen bringen.“ Die Beratung der Grauen Panther sei, wenn auch unter erheblicher zeitlicher Belastung der beratenden Professoren, ein Erfolg gewesen. Sprunghaft seien die Examensmeldungen angestiegen, so Dannenberg.

Also will man die Aktion nun auf die Semesterzahlen „größer 17“ ausweiten. Um die „persönliche Ansprache“ zu erleichtern, hat der Fachbereich Germanistik eine studentische Studienberatung eingerichtet – auf einer bezahlten Stelle. An der Technischen Universität ist das schon lange Usus. Dort ist man seit dem 1. Oktober über die Honorierung studentischer Studienberater hinaus. Es wurden sechs Studienbüros eingerichtet, in denen professionelle Studienberater erstmalig direkt an den Fachbereichen angesiedelt sind. Sie sollen unter dem Namen „Studiensekretäre“ alle Beratungsleistungen koordinieren: etwa die über Prüfungen, zum Studienverlauf, zum Thema Praktika und für das Einfädeln in den Arbeitsmarkt. Gleichzeitig sind die Studiensekretäre auch für die Lehrpläne zuständig. Und sie sollen die Evaluierung der Lehre vornehmen. cif