Unis zu Filialen des Staates

■ Wissenschaftssenator soll künftig Studiengänge auflösen können - gegen den Willen der Hochschulen / Strukturplan und -gesetz löschen Autonomie der Unis aus

Der Ton wird unfreundlicher. „Keine Ermächtigung für den Hochschuldiktator“, forderten Asten und Studentenparlamente. Und die grüne Abgeordnete Sybille Volkholz warf Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) vor, „in Landjunkermanier am Parlament vorbeizupreschen“. Die Kritik gilt der Art, wie der Senator sich massive Eingriffsrechte in die Universitäten zu verschaffen trachtete: in bester Roßtäuscherart wollte er ein Gesetz unter falschem Namen durchs berlinische Parlament bugsieren. „Das ist eine neue Form der Täuschung, Hochschulgesetze unter falschem Namen einzubringen“, nahm der TU-Asta Stellung.

Es geht um das erste „Haushaltsstrukturgesetz“, das der Berliner Senat Mitte August beschlossen hatte. Darin steht mitnichten etwas über den Haushalt. Das Gesetz führt Studiengebühren ein und schlägt die Zahnmedizin der Humboldt-Universität zu. Vor allem aber ermächtigt es den Senator, in Studiengänge direkt einzugreifen und sie notfalls abzuschaffen. Das war (bislang) das vornehmste Recht der Hochschulen.

Was der Senat beschließt, ist noch lange nicht Gesetz. Vorher muß es durchs Abgeordnetenhaus. Doch als Erhardt das „Haushaltsstrukturgesetz“ im Parlament einbrachte, war man ähnlich abwesend wie die semesterurlaubenden StudentInnen. Die Parlamentarier verschoben die Mogelpackung – in den Hauptausschuß. Der ist für den Haushalt zuständig; das Gesetz wäre noch vor Semesterbeginn durchgezockt worden. Im buchstäblich letzten Augenblick beantragte die Grüne Sybille Volkholz, die Vorlage auch im Wissenschaftsausschuß zu behandeln. Und dort, dem eigentlich zuständigen Gremium, bestand bei zwei Expertenanhörungen reichlich Zeit zum Aufwachen für die Parlamentarier. Im November soll dort über das „Haushaltsstrukturgesetz“ entschieden werden.

Umstritten ist am „Haushaltsstrukturgesetz“ eigentlich alles: der Titel, die Studiengebühren, die Fusion der Zahnmedizin (siehe S.4). Der Clou aber ist das Eingriffsrecht des Senators. Es entfaltet seine Wirkung zusammen mit dem sattsam bekannten Hochschulstrukturplan. Dieses 300-Seiten-Konvolut erhielte mit dem Durchgriffsrecht des Senators de facto Gesetzesrang. „Aus wichtigem Grund, insbesondere zur Verwirklichung der Hochschulplanung des Landes Berlin“, soll es im Berliner Hochschulgesetz künftig heißen, „kann der Senat von einer Hochschule verlangen, daß [...] Studiengänge eingerichtet, verändert oder aufgehoben werden.“

Am jahrelangen Streit um die psychologischen Institute der FU läßt sich der Anwendungsfall demonstrieren. In Zukunft würde da nicht mehr lange herumgefuchtelt. Wissenschaftssenator Erhardt könnte auflösen oder verändern – ganz wie es ihm und seiner Ministerialbürokratie gefällt. Die Hochschulen wären auch auf einem ihrer ureigensten inhaltlichen Felder nurmehr Filialen des Staates: der Errichtung von Studiengängen. Ihre Autonomie wäre vollends dahin.

Auch den Hochschulstrukturplan hat Wissenschaftssenator Erhardt einer parlamentarischen Beratung weitgehend vorenthalten können. Planung sei Regierungsfunktion, meinte der Senator. Grüne, PDS und FDP hatten das anders gesehen. Die Planung der Hochschullandschaft brauche ein Votum des Parlaments, forderte der Vorsitzende des Wissenschaftsausschusses, der Liberale Michael Tolksdorf: „Obwohl das Parlament kein Wort dazu gesagt hat“, könne der Senator sonst den Hochschulstrukturplan direkt als geltendes Recht durchsetzen.“

Dem CDU-Senator gelang es, die SPD – Partner in der großen Koalition – zu spalten. Zwar entschied der Landesparteitag der Sozialdemokraten, daß der Hochschulstrukturplan parlamentarisch behandelt werden müsse. „Punkt für Punkt durcharbeiten“ hieß die Linie des Partei- und Fraktionsvorsitzenden, Ditmar Staffelt. Doch während drei SPDler in der entscheidenden Sitzung des Wissenschaftsausschusses energisch für eine parlamentarische Beratung sprachen, enthielten sich die drei anderen Sozis der Stimme. Gegen diese Empfehlung des Ausschusses – Nichtbehandlung –, votierte wiederum das Abgeordnetenhaus. Diskutiert werden allerdings erwartungsgemäß nurmehr die Rahmendaten des Plans.

Im Asta der TU befürchtet man nun ein zweites hochschulpolitisches Waterloo für die Berliner Sozis, wenn Anfang November das „Haushaltsstrukturgesetz“ zur Entscheidung ansteht. Auf die selbstgestellte Frage, wer Senator Erhardt stoppen könne, weiß der Asta nur eine Antwort: „Die SPD- Fraktion jedenfalls nicht ...“ Christian Füller