13.600 Mark als Entlohnung für die Morde

■ Was am 17. September 1992 im Berliner „Mykonos“-Restaurant passiert sein soll

Die Demokratische Partei Kurdistans im Iran (PDK-I), deren Führung das Attentat im September 1992 galt, ist die bedeutsamste politische Organisation der im Iran lebenden Kurden. Die späteren Opfer, der Generalsekretär der Partei, Charafkandi, sowie die beiden Spitzenfunktionäre Abdouli und Ardalan reisten Mitte September 1992 nach Berlin, um an einem Treffen der Sozialistischen Internationale teilzunehmen. Ihre Namen standen auf der Teilnehmerliste, so dürfte ihre Anwesenheit auch der Vevak bekannt gewesen sein.

Nach den bisherigen Erkenntnissen der Ermittler ergibt sich folgendes Bild des Attentats: Vor der Tagung nahm der Angeklagte, Darabi, Kontakt zu den ehemaligen Hisbollah-Kämpfern Youssef Amin und Abbas Rhayel auf. Seit 1980 lebte Darabi in Deutschland, zunächst als Student, später als Gemüsehändler. Für die Vevak forschte er im Exil lebende iranische und kurdische Oppositionelle aus. Die Aufträge dazu kamen von der iranischen Botschaft in Bonn und vom iranischen Generalkonsulat in Berlin. Darabi ist Mitglied der revolutionären Garden „Pasdaran“, denen auch die Ausbildung und Unterstützung der Hisbollah obliegt. Daneben nahm er führende Funktionen in der Berliner Moschee sowie im „Islamischen Begegnungszentrum“ ein, bis 1989 zentrale schiitische Begegnungsstätte in Berlin.

Am 12. oder 13. September trafen sich die drei in Darabis Wohnung mit einem weiteren, Sharif genannten Täter, der bislang nicht festgenommen werden konnte, sowie einem gesondert verfolgten Mann namens Haidar zur Einsatzbesprechung. Ein oder zwei Tage später wechselten sie in eine konspirative Wohnung nach Berlin- Reinickendorf, wo ein Iraner mit Namen Mohamed zu ihnen stieß, nach dem noch gefahndet wird. Von der Wohung aus unternahm ein Teil der Truppe Erkundungs- und Beschaffungsfahrten zur Tatvorbereitung, derweil seilte sich Darabi nach Hamburg ab.

Am 14. September traf gegen Abend der PDK-I-Vorsitzende Charafkandi aus Kopenhagen auf dem Flughafen Tempelhof ein. Bereits zuvor hatten sich Abdouli und Ardalan sowie der ihnen als Dolmetscher dienende Mohamadpour Dehkordi in dessen Wohnung mit zwei weiteren iranischen Oppositionellen getroffen, unter ihnen der Wirt des „Mykonos“, Sayed Tabib Ghaffari. In dieser Runde wurde das Treffen im „Mykonos“ verabredet, an dem neben den PDK-I-Politikern noch weitere elf iranische Oppositionelle teilnehmen sollten. Der Wirt übernahm die Einladung, allerdings irrtümlich für den 18. September. Dieser Irrtum wurde erst am Abend des 17. bemerkt, als sich die PDK-I- Führer bereits in dem Restaurant versammelt hatten. Von den übrigen Geladenen konnten nur noch wenige telefonisch erreicht werden, drei machten sich noch auf den Weg. Wieso die Attentäter trotz dieses Irrtums Kenntnis vom richtigen Ort und Zeitpunkt der „Mykonos“-Runde hatten, ist bislang unklar.

Fest steht nach den bisherigen Erkenntnissen, daß die Attentäter bereits am 16. September in unmittelbarer Tatortnähe einen Übungslauf veranstalteten. Als sie die PDK-I-Politiker am Abend des 17. Septeber im „Mykonos“ versammelt hatten und auf die übrigen Oppositionellen warteten, ging in der Reinickendorfer Wohnung ein zuvor verabredetes Telefonsignal ein. Daraufhin machten sich die Täter in zwei Kleingruppen auf, die einen mit einem Taxi, die anderen mit einem BMW. Knapp hundert Meter vom Lokal traf man sich wieder und nahm von Sharif die Waffen in Empfang. Während Amin vor dem Eingang Schmiere stand, stürmten Sharif und Rhayel in das Lokal und begaben sich zielsicher in den Nebenraum, in dem sich ihre Opfer zum Essen versammelt hatten. Mit dem persisch gesprochenen Ausruf „Ihr Hurensöhne“ eröffneten Rhayel und Sharif das Feuer. Sharifs Maschinenpistole und Rhayels „Llama“ richteten sich dabei ausschließlich auf Charafkandi, Ardalan, Abdouli und Dehkordi, die an einem Ende des Tisches saßen. Der Wirt Ghaffari geriet möglicherweise nur zufällig in ihre Schußlinie. Die Politiker wurden von 29 Kugeln getroffen, drei starben sofort, Dehkordi im Krankenhaus.

Die drei Täter flüchteten zum BMW, in dem Mohamed und Haidar auf sie warteten. Letzterer stellte den Wagen, nachdem er die anderen an unterschiedlichen Orten abgesetzt hatte, verbotswidrig in einer Einfahrt ab und entledigte sich der Sporttasche mit den Waffen und Kleidungsstücken. Eine Woche später, am 22. September, wurde die Tasche gefunden, an den Waffen und den Kleidungsstücken fanden sich erste Hinweise auf die Täter. Am 8. Oktober wurde der BMW gefunden; er war zwischenzeitlich von der Polizei umgesetzt worden. Bereits zuvor, am 4. Oktober, waren Amin und Rhayel in Rheine festgenommen worden, wo sie auf gefälschte Pässe gewartet hatten. Zuvor hatten sie noch den Tatlohn kassiert, der ihnen in Darabis Auftrag überbracht wurde – 13.600 Mark. Sowohl der Paßlieferant als auch ein Mann, von dem der Tatplan stammen soll, sind nun wegen Beihilfe zum Mord angeklagt.

Am 7. Oktober wurde die Wohnung entdeckt, am gleichen Tag ihr Mieter Kazem Darabi festgenommen. Auch hier fanden sich Hinweise auf die Täter. Diese recht sorglose Eigensicherung der Täter mag ihren Grund in der Zuversicht gehabt haben, die sie in Darabi legten. Sie rechneten, so bekundete einer von ihnen, für den Fall der Festnahme damit, daß der Iran hinter ihnen stehe und sich für sie einsetzen werde.