United colours of South Africa

■ Nelson Mandela und Frederik de Klerk bekommen zusammen den Friedensnobelpreis verliehen

Berlin (taz) – Ein knappes halbes Jahr vor den ersten freien und demokratischen Wahlen in der Geschichte Südafrikas sind die Architekten dieses bahnbrechenden Versöhnungsprozesses zwischen Schwarz und Weiß, Nelson Mandela und Frederik Willem de Klerk, gestern mit dem Osloer Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden.

Das norwegische Nobelkomitee wies in seiner Begründung insbesondere auf die historische Leistung beider Politiker hin, „von verschiedenen Ausgangspunkten aus“ sich auf Prinzipien für den Übergang zu einem neuen politischen System auf der Basis des Prinzipes „Ein Mensch – eine Stimme“ geeinigt zu haben und betonte die „persönliche Integrität und den großen politischen Mut“ beider. Mit Blick auf eine Welt voller ethnisch motivierter Kriege sei beiden Politikern die friedliche Transformation Südafrikas, „dem Symbol für rassisch bedingte Unterdrückung“ hoch anzurechnen.

Die ersten Reaktionen aus Südafrika sind mit Ausnahme der extremen Linken wie Rechten positiv. Ein sich „außerordentlich geehrt fühlender“ Noch-Staatspräsident de Klerk meinte, der Preis gelte „allen Südafrikanern, die sich zu dem Prozeß der friedlichen Verhandlungen bekannt“ hätten. Von Nelson Mandela selbst lag bis Redaktionsschluß noch keine Reaktion vor. Der Sprecher des African National Congress (ANC), Carl Niehaus, meinte nur, durch die Preisvergabe werde die Notwendigkeit des Friedens und einer „vollwertigen Demokratie“ hervorgehoben.

Auch Desmond Tutu, neben dem ANC-Präsidenten Albert Luthuli (1961) der zweite südafrikanische Friedensnobelpreisträger (1984), betonte die symbolische Bedeutung des gemeinsamen Preises, „daß Menschen unterschiedlicher politischer Überzeugung und ethnischer Herkunft zusammengebracht werden können“.

Die Ehrung, die weltweit begrüßt wird und unter den zuvor gehandelten potentiellen Kandidaten (Internationales Rotes Kreuz, die Heilsarmee, Vance und Owen oder gar Helmut Kohl) die mit Abstand sinnvollste und von politischem Instinkt geleitete erscheint, kommt zu einem Zeitpunkt, da der Übergangsprozeß am Kap zwar unumkehrbar, dennoch blutiger denn je ist: Seit Beginn der Verhandlungen 1990 sind mehr als 12.000 Menschen bei politischen Auseinandersetzungen ermordet worden. Die Preisverleihung könnte daher die zur Reform bereite Mehrheit der Bevölkerung stärken, während zur Zeit weiße wie schwarze Verhandlungsgegner auch mit Gewalt die Einrichtung eines Übergangsrates bis zu den Wahlen verhindern wollen.

Mit der gleichwertigen Preisverleihung an beide, Täter und Opfer, soll zugleich dem Dialog- und Kompromißprinzip die höhere Weihe erteilt werden. Noch Ende der achtziger Jahre war es sowohl für den schwarzen Widerstand wie auch die herrschende weiße Minderheit unvorstellbar erschienen, daß man sich überhaupt zusammen an einen Tisch setzen könnte. Nicht ohne Grund wird der heute 57jährige de Klerk von Anhängern als „Gorbatschow vom Kap“ tituliert, da er es fertigbrachte, die Inkorporation des Erzfeindes ANC, den bald 75jährigen Nelson Mandela, nach fast dreißig Jahren aus dem Gefängnis zu entlassen.

Seitdem wurde häufiger das Bild des Bootes, in dem beide sitzen, bemüht, um die gegenseitige Abhängigkeit im fragilen, vielen Rückschlägen ausgesetzten Verhandlungsprozeß zu markieren – der im Unterschied zu vielen anderen Konflikten fast ohne ausländische Nachhilfe zurechtkam. Sicherlich wurden aus Erzfeinden keine Freunde, doch dreijähriges Streiten und Verhandeln verbindet auch – nicht zuletzt gegen Kritiker in den jeweiligen eigenen Reihen, die ihnen Verrat und zu große Kompromißbereitschaft vorwerfen.

Nelson Mandela, dessen sprichwörtliche Güte und Milde vielleicht auch nur der langjährigen Gefängnisisolation während der Hochphase der Apartheid zu erklären ist, meinte vor einiger Zeit zu einer möglichen Nobelpreisverleihung an beide: „Dies wäre eine Anerkennung für den Versuch, unser wirtschaftliches und politisches System zu normalisieren. Es wäre ein Zeichen der Unterstützung des demokratischen Prozesses, den wir in Südafrika verwirklichen wollen.“

Der Preis wird den beiden Protagonisten des Wandels in Südafrika am 10. November in Oslo verliehen. Andrea Seibel